Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Titel: Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LESLEY PEARSE
Vom Netzwerk:
abzubrechen und ganz neu anzufangen, schien mir der einzige Weg, die Vergangenheit zu bewältigen«, fuhr Ellen fort. »Dass ich vielen Menschen damit wehtun würde, war mir damals egal – ich litt ja selbst Höllenqualen. Ich habe alles geändert: die Art, wie ich mich kleidete, die Art, wie ich dachte. ›Sich selbst neu erfinden‹ sagt man heute – genau das habe ich damals gemacht. Viel später dann, als ich darüber hinweg war, unterschied ich mich so drastisch von der alten Ellen, dass ich das Gefühl hatte, einfach nicht mehr in die Freundschaften von einst hineinzupassen.«
    »Das kann ich gut verstehen«, versicherte Daisy. Da hatte sie die fehlenden Teile des Puzzles. Langsam fügte sich alles zu einem logischen Ganzen. Sie empfand grenzenlose Bewunderung für diese Frau, die so viel durchgemacht hatte.
    »Nach dem Feuer fing ich an zu trinken«, erzählte Ellen. »Gott, es war grässlich, wenn ich heute daran zurückdenke. Gleich morgens nach dem Aufstehen stahl ich mich hinaus und besorgte mir eine Flasche. Ich kam mir wie Abschaum vor, aber es war das Einzige, was zu helfen schien. Ich wollte nicht, dass irgendjemand mich so sieht, deshalb hab ich niemandem die Tür geöffnet. Die Wohnung wurde zu meinem Gefängnis. Ich verbrachte den ganzen Tag im Bett und leckte meine Wunden. Ich hab nicht einmal mehr eine Zeitung gekauft, weil ich wusste, sie würde mit Schmierereien über Josie voll sein. Ich bin auch nicht ans Telefon gegangen; ich hatte keine Lust, ständig irgendwelche Reporter abzuwimmeln, die mich über sie ausfragen wollten.«
    »Aber du hast dich zusammengerissen. Das beweist, wie stark du warst.«
    »Als ich von Bristol fortging, war ich keineswegs so stark.« Ellen stieß ein freudloses Lachen aus. »Ich habe einige wenige Sachen zusammengepackt, an denen ich wirklich hing, und mich nachts davongeschlichen, damit mich keiner sieht. Meinem Vermieter habe ich später schriftlich gekündigt, aber keine neue Adresse angegeben.«
    »Warum bist du gerade nach London gekommen?«
    Ellen zuckte mit den Schultern. »Weil man hier gut untertauchen kann. Und ich kannte die Stadt ja schon. Ich hatte hier ein paar schöne Stunden mit Josie verlebt.«
    »Warst du anfangs nicht schrecklich einsam?«
    »Eigentlich nicht. Ich wollte Anonymität, und die fand ich hier. Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich ich selbst sein und musste nicht die sein, für die alle mich hielten.«
    Daisy machte ein verwirrtes Gesicht. Ellen bemerkte es. Lächelnd fuhr sie fort: »Mavis hat dir doch bestimmt erzählt, was für ein braves Mädchen ich war, nicht wahr? Bloß weil ich zuverlässig, aufrichtig, fleißig war und gut mit Kindern umgehen konnte, bekam ich einen verdammten Heiligenschein verpasst. Das kann einem ganz schön auf die Nerven gehen, so wie mir die Hippieklamotten und mein ungeschminktes Gesicht auf
die Nerven gingen. Ein Teil von mir wollte immer ein Rebell sein; ich nehme an, deshalb habe ich mich so angezogen. Und weil ich mich so deutlich wie möglich von Josie unterscheiden wollte.«
    »Du musst die ganze Zeit ein Gespür für Mode gehabt haben, sonst würde deine Boutique nicht so gut laufen«, warf Daisy ein.
    Ellen lächelte. »Man kann alles lernen, wenn man will, und ich denke, ich habe mir im Lauf der Zeit das eine oder andere von Josie abgeguckt. Aber ich habe auch Glück gehabt.«
    Der zeitlos elegante, wunderschön geschnittene Hosenanzug, den sie an diesem Abend trug, bewies, dass sie Geschmack hatte. Er war bequem und trotzdem todschick. Daisy hoffte, sie würde in Ellens Alter auch so aussehen.
    »Hast du Josie eigentlich beneidet?«, fragte sie später, als sich die Unterhaltung um die Boutique und London im Allgemeinen drehte.
    »Kaum«, antwortete Ellen. »Hinter der glitzernden Fassade ging es meistens ganz schön rau zu. Ich nehme an, du hast Zeitungsausschnitte über ihren Einstieg in das Geschäft gesehen?«
    Daisy nickte.
    »Was da geschrieben worden ist, war alles Humbug. Das Ganze war von der Zeitung und diesem Fotografen, Mark Kinsale, raffiniert inszeniert worden. Er war ein hinterhältiger Mistkerl, aber das wurde ihr erst klar, als er sie in seinen Fängen hatte. Er raubte ihr die Unschuld und das Herz und auch ihr Geld.«
    Ellen stand auf, ging an einen Schreibtisch und zog eine Schublade heraus. Ein großes, dickes, ledergebundenes Buch in der Hand, setzte sie sich wieder neben Daisy. Es war ein Album über Josie, voller Bilder und Zeitungsausschnitte, darunter viele,

Weitere Kostenlose Bücher