Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
erster Gedanke. Als ich später darüber nachdachte, wurde mir klar, dass ich noch immer unter der Intoleranz der Vergangenheit litt und dass das einfach idiotisch ist, weil diese Zeit endgültig vorbei ist. Deshalb werde ich allen stolz verkünden, dass du meine Tochter bist. Ich möchte mit dir angeben!«
Eine wunderbare Wärme durchflutete Daisy. »Ich würde meiner Familie zu gern von dir erzählen.«
»Tu das, aber du willst mich ihnen doch nicht vorstellen, oder?«
Daisy schaute sie überrascht an.
»Ich meine, nicht bei ihnen zu Hause«, fügte Ellen hastig hinzu, »sondern vielleicht in einem Restaurant, auf neutralem Boden sozusagen. Weißt du, wenn ich dein Zuhause sähe, würde mich das an all die Dinge erinnern, auf die ich verzichtet habe, als ich dich weggab, und das verkrafte ich nicht. Mir wäre es lieber, wenn unsere Beziehung nur uns zwei beträfe und etwas Besonderes bliebe, damit wir ohne den Ballast der Vergangenheit eine gemeinsame Zukunft planen können.«
Daisy hatte sich in den letzten Tagen ausgemalt, was passieren würde, wenn Ellen nach Bedford Park käme. Obgleich sie es kaum erwarten konnte, die Reaktion ihrer Familie auf diese wunderschöne Frau zu sehen, fürchtete sie andererseits, eine unangenehme, peinliche Situation heraufzubeschwören, die ihr neuerdings so gutes Verhältnis wieder trüben könnte.
»Das halte ich für eine ausgezeichnete Idee«, stimmte sie eifrig zu. »Ich bin so froh, dass ich dich gefunden habe! Du bist besser, als ich es mir in meinen kühnsten Träumen vorgestellt habe.«
Ellen lächelte. »Danke, mein Schatz. Das ist das Netteste, was mir je ein Mensch gesagt hat.«
21. Kapitel
J oel saß in seinem Sessel und starrte auf das Bügelbrett, auf dem sich leere Pappschachteln von der Imbissbude stapelten. Eine ähnliche Unordnung herrschte überall in der Wohnung. Seit seinem Streit mit Daisy hatte er weder Lust zum Aufräumen noch zu irgendetwas anderem gehabt.
Vier Wochen waren vergangen, seit sie ihn aus Cornwall angerufen und dann einfach den Hörer auf die Gabel geknallt hatte. Er hätte sich in den Hintern beißen können, dass er an den Osterfeiertagen nicht zu ihr gegangen war, um sich mit ihr auszusprechen.
Er konnte Daisys Wunsch, ihre leibliche Mutter zu finden, ja verstehen, und er hatte auch nichts dagegen. Aber seiner Ansicht nach wäre es klüger gewesen, eine Agentur einzuschalten, die auf die Suche nach verschollenen Personen spezialisiert war. Auf diese Weise hätte Daisy, falls irgendwelche Probleme aufgetreten wären, gleich einen Vermittler zur Hand gehabt.
Ernsthafte Sorgen hatte er sich erst gemacht, als sie angedeutet hatte, Ellen habe nach der Brandkatastrophe möglicherweise einen Nervenzusammenbruch erlitten. So kurz nach Lornas Tod, der sie so viel Kraft gekostet hatte, könnte die Beziehung zu einem labilen Menschen fatale Folgen für Daisy haben. Jetzt machte er sich Vorwürfe, dass er nicht diplomatischer vorgegangen war und ihr seine Hilfe angeboten hatte. Aber er war von ihrer überschwänglichen Begeisterung schlichtweg überrumpelt worden.
Bei ihrem nächsten Telefonat hatte er sich fest vorgenommen, die Sache geschickter anzufangen. Doch Daisy war furchtbar gereizt gewesen. Egal, was er gesagt hatte – es war verkehrt gewesen. Und dann war ihm auch noch dieses »Spinnst du?« herausgerutscht. Aber wahrscheinlich wäre sie so oder so explodiert. Danach hatte er sie in Ruhe gelassen, in der Hoffnung, sie würde zur Besinnung kommen.
Fehlanzeige! Sie ließ nichts mehr von sich hören, und er wusste nicht, woran er war. Wartete sie auf ein Wort von ihm? Oder wollte sie ihn nicht mehr sehen?
Er liebte sie. Vom ersten Moment an hatte er gewusst, dass sie die Richtige für ihn war. Er würde nie vergessen, wie sie in dem Weinlokal, als ihr die Handtasche heruntergefallen war und er ihr beim Aufsammeln geholfen hatte, ihre prachtvolle Mähne zurückgeworfen und ihn aus ihren vergissmeinnichtblauen Augen angeschaut hatte. Wenn sie nicht auf der Stelle eingewilligt hätte, mit ihm auszugehen, hätte er nicht eher geruht, bis er sie wiedergefunden hätte.
Er hatte noch nie für eine Frau empfunden, was er für sie empfand.
Daisy hatte ihm buchstäblich den Kopf verdreht. Sie war so quirlig, so lebendig; jeder Augenblick mit ihr war etwas ganz Besonderes. Er wollte, dass sie seine Frau wurde, die Mutter seiner Kinder. Wäre Lorna nicht so krank gewesen, hätte er Daisy schon längst einen Antrag gemacht. Er
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