Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
hoffnungsvoll.
»Nein, aber das kommt vielleicht noch, wenn heute alles klappt.« Sie strahlte noch mehr. »Er fehlt mir.«
»Was ist es dann, ein Bewerbungsgespräch?« Sie sah umwerfend aus in dem neuen hellblauen Kleid mit passender Jacke, aber für ein Bewerbungsgespräch war das kaum die richtige Garderobe.
Sie kicherte und legte einen Finger an die Nasenspitze. »Steck sie besser nicht rein. Du erfährst es schon noch.«
John blickte gerade aus dem Schlafzimmerfenster und bewunderte die blühenden Kirschbäume, die fast ein Gewölbe über der Straße bildeten, als Daisy das Haus verließ. Ihr Gang war beschwingt, ihre Haare schimmerten in der Sonne, und sie sah bildhübsch aus. So hatte sie ausgesehen, als sie Joel kennen gelernt hatte. John hoffte, die beiden würden sich aussöhnen.
Seit Daisy diese Anwälte aufgesucht hatte, war sie wie ausgewechselt. Sie konzentrierte sich zu sehr auf Ellen, und das war ein wenig ermüdend. Außerdem verheimlichte sie ihm etwas. Sie hatte ihm nie den Brief gezeigt, den Ellen ihr als Antwort auf ihre Zeilen einige Wochen später geschrieben hatte. Und unmittelbar danach hatten sie sich das erste Mal getroffen.
Das gemeinsame Essen, bei dem sich alle endlich kennen lernen sollten, hatte bis heute nicht stattgefunden. War er etwa eifersüchtig?
»Glück gehabt«, rief Daisy, als sie in Haverstock Hill einen Parkplatz fand. Die Heath Street lag gleich um die Ecke. Mavis mochte rüstig genug für einen längeren Fußweg in ebenem Gelände sein, aber hier ging es bergauf.
»Ich liebe Hampstead«, sagte Mavis und schaute sich neugierig um. »Frank und ich sind immer hierher gekommen, wenn wir in London waren. Wir haben irgendwo Tee getrunken, und dann hat er mir etwas Schönes gekauft. Ich war bestimmt früher schon mal in dem Laden, der jetzt Ellen gehört. Es gab ein bezauberndes Handtaschengeschäft in der Heath Street. Frank hat mir dort einmal eine wunderschöne perlenbestickte Abendhandtasche gekauft. Ich hatte zwar kaum Gelegenheit, sie zu benutzen, aber ich habe sie geliebt.«
Daisy lächelte. Seit sie aus Finchley weggefahren waren, schwelgte Mavis in Erinnerungen an frühere Besuche in London mit ihrem Mann. Die beiden hatten sich bis zuletzt geliebt, daran bestand kein Zweifel.
»Hoffentlich ist der Laden nicht voller Kundschaft.« Daisy schloss den Wagen ab, fasste Mavis am Arm und überquerte mit ihr die Straße. »Sonst trinken wir lieber noch irgendwo eine Tasse Kaffee und warten, bis sich der Ansturm gelegt hat.«
Daisy wurde auf einmal nervös. Ihr wurde bewusst, dass sie im Begriff war, Ellen gegenüber einen Vertrauensbruch zu begehen. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Mavis freute sich schon so auf das Wiedersehen. Und Daisy war ohnehin überzeugt, Ellen würde erleichtert sein, wenn der erste Schritt erst einmal getan war.
»Das ist tatsächlich der Laden, in dem wir meine Handtasche gekauft haben«, berichtete Mavis aufgeregt, als Daisy auf das Hängeschild weiter vorne deutete. »Damals hieß das Geschäft nicht Chic Boutique, aber ich erinnere mich an die Erkerfenster.«
»Warten Sie hier. Ich sehe mal nach, wie es drinnen aussieht.«
Der Sonnenschein hatte Massen auf die Straßen gelockt, aber Daisy hoffte, die meisten würden nur einen Schaufensterbummel machen. Sie trat vorsichtig näher und spähte durchs Fenster. Ellen stand über den Ladentisch gebeugt und schrieb etwas. Anscheinend war sie allein im Geschäft.
»Die Luft ist rein, keiner drin«, erklärte sie Mavis, die sich schwer auf ihren Stock stützte und ein wenig nervös wirkte.
Ellen schaute auf, als die Ladenglocke bimmelte. Sie erkannte Daisy und lächelte. »Hallo, mein Schatz!«
Daisy betrat den Laden, Mavis folgte ihr.
»Schau mal, wen ich dir mitgebracht habe«, rief Daisy.
Eine Sekunde lang herrschte Totenstille. Ellen blickte Mavis an, als hätte sie sie nie zuvor gesehen. Daisy drehte sich zu der alten Dame um. Sie war kalkweiß im Gesicht und presste beide Hände auf den Mund.
»Was haben Sie denn?« Daisy fürchtete, das Wiedersehen sei zu viel für die alte Dame.
»Das ist nicht Ellen«, stieß Mavis hervor. »Das ist Josie!«
22. Kapitel
M avis’ Feststellung schien in der parfümierten Luft über ihnen zu schweben. Daisy schaute sprachlos von Mavis zu Ellen. Ellen, die braunen Augen weit aufgerissen, stand da wie vom Donner gerührt.
Die Stille zog sich hin. Daisy wusste nicht, was sie sagen sollte. Schließlich brach Ellen das Schweigen. »O
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