Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
vor; im Sommer 1963 hatte sie in acht Fächern die mittlere Reife abgelegt.
Vater Albert Pengelly, Farmer. Clare, Ellens Mutter, starb 1948, als Ellen vierzehn Monate alt war. Albert heiratete wenig später zum zweiten Mal. Die Tochter Josie May wurde 1949 geboren.
Ellen und Josie sollen sich sehr nahe gestanden haben, aber Ellens Verhältnis zu ihrer Stiefmutter soll nicht besonders gut gewesen sein.
Postskriptum, 1971:
Ich vermute, Ellen wurde zur Adoption gedrängt, möglicherweise von der Familie, für die sie seinerzeit arbeitete, und von der Ärztin, die alles in die Wege leitete.
Ich bin aufgrund eines Briefes von Ellen, den die Ärztin aus Bristol mir zusammen mit zwei Fotos zukommen ließ, zu diesem Schluss gelangt. Das eine Foto zeigt Daisy und ist im Krankenhaus aufgenommen worden, das andere zeigt Ellen und Josie auf der Farm.
Leider ging der Brief verloren. Ellen schrieb darin, sie könne ihr Baby einfach nicht vergessen, und sie bat mich, dir später einmal, wenn du alt genug wärst, zu sagen, sie habe keine andere Wahl gehabt. Sie bat mich auch, diese Fotos für dich aufzubewahren, und fügte hinzu, sie hoffe sehr, dich eines Tages kennen zu lernen, damit sie dir alles erklären könne.
Ellen empfand tiefes Bedauern über das, was geschehen war und sich nicht mehr rückgängig machen ließ, war aber auch dankbar dafür, dass ihre Tochter ein liebevolles Zuhause gefunden hatte. Ihr Brief war wunderschön geschrieben, in regelmäßiger, sauberer Schrift, und ihre Sicherheit in Rechtschreibung und Grammatik zeigen, dass sie intelligent und einfühlsam war.
Obwohl nach einer Adoption von einem Kontakt mit den leiblichen Eltern abgeraten wird, war ich so gerührt, dass ich ihr antwortete. Ich ließ der Ärztin einen Brief an Ellen mit einem neueren Foto von dir zukommen, in dem ich über deine Fortschritte in der Schule und deine Freude über die Zwillinge berichtete. Ich erzählte ihr, ich hätte mir eine kleine Geschichte über die Adoption ausgedacht und würde erst später, wenn du älter und verständiger wärst, ins Detail gehen. Ich sagte ihr auch, sie könne sich nicht vorstellen, wie viel Freude sie uns mit dir gemacht habe.
Mir fiel gleich die frappierende Ähnlichkeit zwischen ihr und dir auf. Wären nicht die Kleider aus den frühen Fünfzigerjahren, die sie auf dem Foto trägt, könnte man glauben, es handele sich um dasselbe Kind.
Die Ärztin hieß Dr. Julia Fordham, 7 Pembroke Road, Clifton, Bristol. 1964 muss sie Mitte vierzig gewesen sein. Wir haben uns einige Male getroffen und miteinander telefoniert. Ich habe den Eindruck, sie ist eine sehr dominante und doch warmherzige Frau.
Die Entscheidungen, die dich betrafen, wurden in den Sechzigerjahren getroffen. Man darf sie nicht nach heutigen Maßstäben beurteilen, Daisy, denk immer daran. Bis etwa 1967/’68 wurden ledige Mütter praktisch gesellschaftlich geächtet. Finanzielle Unterstützung gab es so gut wie keine für sie, und sie hatten Mühe, eine Unterkunft zu finden. Hilfe konnten sie höchstens von einigen kirchlichen Organisationen erwarten, aber normalerweise blieb der jungen Mutter, wenn der Kindsvater sie nicht heiratete oder ihre Familie nicht für sie da war, keine andere Wahl, als ihr Kind wegzugeben. Ein paar Jahre später wurde die Pille erfunden, die Flower-Power-Bewegung mit ihrer Forderung nach freier Liebe setzte ein, und alles änderte sich schlagartig. Sozialarbeiter setzten alle Hebel in Bewegung, um unverheirateten jungen Müttern zu helfen, und es kam nicht mehr so oft vor, dass ein Kind zur Adoption freigegeben wurde. Urteile also nicht zu streng über Ellen. Alles, was ich über sie erfuhr und was ihre Briefe mir über sie sagten, deutet darauf hin, dass sie ein wirklich anständiges, liebes Mädchen war, das ein Opfer der Umstände wurde.
Daisy betrachtete das Foto, das die beiden Mädchen zeigte, genauer. Ihre Mum hatte Recht, sie sahen sich sehr ähnlich. Ellens Familie schien ziemlich arm gewesen zu sein: Die Kleidung der beiden war schäbig und abgetragen.
Sie legte das Foto zurück und riss den dünneren Umschlag auf. Darin befanden sich ein vom April dieses Jahres datierter Brief ihrer Mutter und ein Scheck über sechstausend Pfund.
Liebe Daisy, las sie. Ich musste immer das letzte Wort haben, nicht wahr? Während ich hier sitze und dies schreibe, um es dann in die Kassette zu all den anderen Erinnerungsstücken zu legen, die ich im Lauf der Jahre für dich gesammelt habe, hoffe ich inständig, dass
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