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Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Titel: Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LESLEY PEARSE
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große Geldkassette aussah, die aber mit Fotos verziert und lackiert worden war.
    »Hier ist der Schlüssel.« John stand auf und nahm ihn aus der Jackentasche. »Ich lass dich jetzt allein. Ich muss noch Hundefutter und Brot besorgen.«
    Nachdem ihr Vater gegangen war, legte sich Daisy die Schatulle auf den Schoß und betrachtete sie nachdenklich. Sie hatte immer geglaubt, jeden einzelnen Gegenstand im Haus zu kennen, John und Lorna hatten nie Geheimnisse vor ihren Kindern gehabt, aber Daisy konnte sich nicht erinnern, diese Schachtel jemals gesehen zu haben, was die Sache nur noch spannender machte.
    Die Fotos an der Außenseite waren alle von ihr, Familienschnappschüsse, die zerschnitten und in willkürlicher Anordnung aufgeklebt worden waren. Daisy fragte sich, wann ihre Mum zuletzt daran gearbeitet hatte. Einige Bilder waren erst ein Jahr alt, und es war auch kein Platz für weitere mehr. Lorna hatte die Arbeit fertig gestellt, weil sie offensichtlich geahnt hatte, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb. Daisy hob behutsam den Deckel an. Beim Anblick des Inhalts kamen ihr die Tränen.
    Sie fand Zeitungsausschnitte mit Berichten über ihre gewonnenen Turnwettkämpfe, Schulzeugnisse, einen von ihr verfassten Aufsatz über die Familie, Bastelarbeiten, an die sie sich überhaupt nicht erinnern konnte, ein selbst gemachtes Nadelkissen, das sie ihrer Mutter zu Weihnachten geschenkt hatte. In einer kleinen Plastiktüte lagen ihre Milchzähne, daneben ein Foto, auf dem sie keine Vorderzähne hatte, und ein Klassenfoto aus der Zeit, als sie von der Grundschule abgegangen war. So viele Dinge, die niemandem außer ihr etwas bedeuteten, liebevoll gesammelt und sorgsam gehütet. Daisy war tief gerührt.
    Zwischen all diesen Dingen lagen Zettel mit Gedanken und Beobachtungen ihrer Mutter. Auf einigen hatte sie lustige Begebenheiten festgehalten, so wie jenen Schulausflug, bei dem Daisy in einen Tümpel gefallen war. Damit sie wenigstens die nassen Schuhe ausziehen konnte, hatte die Lehrerin ihr ihre Handschuhe über die Füße gestreift, und so war sie dann nach Hause gekommen. Auf einem anderen Zettel beschrieb Lorna Daisys Auftritt als Dorothy in einer Schulaufführung von Der Zauberer von Oz.
    Daisy musste einige Male herzhaft über die aus der Sicht eines Erwachsenen geschilderten Ereignisse, die sie fast vergessen hatte, lachen. Man konnte aber auch zwischen den Zeilen lesen, wie Lorna den Charakter ihrer Tochter einschätzte. Und manche Aufzeichnungen spiegelten ihre Sorgen wider.
    Eine davon war während Daisys Beziehung zu Kevin entstanden. Das war der Junge, der ihr die Stelle im Hotelfach oder bei einem Partyservice ausgeredet hatte, als sie sechzehn gewesen war. Und zu dieser Beziehung hatte ihre Mutter geschrieben:
Ich komme mir so hilflos vor, und ich habe Angst um sie. Bin ich ein Snob, weil ich den Gedanken, meine Kleine ist mit so einem ungehobelten Klotz zusammen, nicht ertragen kann? Ich bin ganz krank vor Angst, sie könnte schwanger werden und sich ihr Leben, ihre Zukunft verbauen. Ich wünschte, ich hätte den Mut, sie im Haus einzuschließen, aber dadurch würde ich sie ihm erst recht in die Arme treiben. Also tue ich so, als hätte ich mich damit abgefunden, wenn ich diese Beziehung auch nicht billige. Ich versuche sogar, so zu tun, als wäre mir Kevin sympathisch, wenn er gelegentlich mal hier auftaucht. Bestimmt denkt jede Mutter, ihre Tochter ist die Schönste, die Begabteste, und wünscht sich einen Märchenprinzen für sie. Ich wäre schon mit einem anständigen Mann für meine Daisy zufrieden, einem, der für sie sorgt, der sie liebt und respektiert. Ich hätte nichts dagegen, wenn er nur ein einfacher Arbeiter wäre.
    Daisy schnürte sich bei diesen Worten die Kehle zusammen. Sie hatte nichts von Lornas Empfindungen geahnt. Sie wusste noch, wie viel Verständnis sie gezeigt hatte, als Kevin ihr den Laufpass gegeben und sie ihrem Frust und ihrer Wut lautstark Ausdruck verliehen hatte. Nicht ein einziges Mal hatte Lorna gesagt, sie solle froh sein, dass sie ihn los war.
    Es war wirklich klug von ihrer Mum gewesen, ihre Meinung für sich zu behalten. Heute dachte Daisy schaudernd an Kevin zurück, aber hätte sie damals gewusst, wie sehr ihre Mutter ihn verabscheute, wäre es sehr gut möglich gewesen, dass sie sich aus Trotz wieder so einen Kerl gesucht hätte. Sechzehnjährige sind nun einmal so.
    Sie fand auch Notizen über Harry, ihren verheirateten Freund. Lorna hatte die ganze Zeit geahnt, dass

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