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Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Titel: Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LESLEY PEARSE
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gab dort saubere Handtücher und warmes Wasser. Und sie wurde kaum benutzt. Ellen zog sich bis auf BH und Slip aus, wusch sich in aller Eile, vergaß auch die Füße nicht und streifte dann ihr neues Kleid über.
    Wäre Pierre nicht gewesen, hätte sie ihr Geld niemals für etwas so Unpraktisches ausgegeben. Doch als sie sich dann darin sah, spielte es keine Rolle mehr, dass es schnell schmutzig wurde oder dass sie damit weder rennen noch Rad fahren konnte: Es stand ihr hervorragend. Die Farbe hob ihre gebräunte Haut hervor, der schmale Schnitt betonte ihre schlanke Figur. Jetzt konnte sie es mit jedem Großstadtteenager aufnehmen.
    Als sie ihr Haar gebürstet, ein bisschen Lippenstift aufgetragen, sich die Wimpern getuscht und die neuen braunen, modisch spitzen Slingpumps angezogen hatte, erinnerte nichts mehr an das Mädchen, das am frühen Morgen in einem weiten schwarzen Rock, in weißer Bluse und Turnschuhen, das Haar streng zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, die Farm verlassen hatte.
    Seufzend betrachtete sie ihre Haare. Mit ihren ungebändigten Locken sah sie aus wie aus einem Hollywoodstreifen der Vierzigerjahre. Modern waren am Kopf anliegende Kurzhaarfrisuren, aber da ihr Haar selbst dann nicht zu bändigen wäre, wenn sie es abschneiden ließe, würde sie sich wohl damit abfinden müssen. Sie stopfte ihre alten Sachen und die Turnschuhe in die Tragetasche und verließ das Café wieder. Den neugierigen Blicken der Gäste wich sie aus.
    In der Schlange vor der Kasse erfasste Ellen plötzlich Panik. Wenn Pierre nun keine Karte für sie hinterlegt hätte? Das wäre ganz schön peinlich. Was sollte sie dann tun? Bezahlen, um sich die Vorstellung anzusehen? Würde er dann womöglich denken, sie laufe ihm nach?
    Aber die Eintrittskarte war da. Pierre hatte daran sogar eine kurze Nachricht geheftet:
Ich werde nur dich sehen, jedes Lächeln wird ganz allein für dich sein.
    Wieder überlief sie dieses erregende Prickeln. Die Aufregung, dazu die lärmende Menge, der Geruch der Tiere und die schrillen Klänge einer Drehorgel waren fast zu viel für sie. Ellen fühlte sich benommen. Sie konnte kaum glauben, dass sie den Mut aufgebracht hatte, hierher zu kommen.
    Ihr Platz, ein richtiger, plüschbezogener Sitz statt der unbequemen Holzbänke, auf denen die meisten anderen Zuschauer saßen, befand sich unmittelbar an der Manege. Ein Programmheft mit vielen Fotos lag darauf, darunter auch eines von Pierre und seinen Partnern. Sie sahen großartig aus in ihren engen himmelblauen, glitzernden Kostümen. Ellen blickte sich nervös im Zelt um. Hoffentlich war niemand da, der sie kannte. Sie hatte zwar vor, ihrem Vater von ihrem Zirkusbesuch zu erzählen, wollte ihm aber verheimlichen, dass sie allein hingegangen war. Wieder einmal verwünschte sie ihre auffälligen Haare. Wie oft waren sie ihr zum Verhängnis geworden, wenn sie als Kind etwas angestellt hatte! Doch sie entdeckte kein bekanntes
Gesicht. Die Reihen füllten sich schnell, die Kapelle begann
zu spielen, und eine Artistentruppe hüpfte ins Rund der Manege.
    Die Faszination, die Ellen bei ihrem ersten Zirkusbesuch empfunden hatte, stellte sich auch dieses Mal ein, viel stärker noch als damals, weil sie heute wusste, dass nicht Zauberei dahinter steckte, wenn Menschen auf dem Drahtseil balancierten oder Raubkatzen auf das Piedestal sprangen, sondern jahrelanges Training. Sie vergaß, dass sie allein war, sie lachte über die Clowns, bekam feuchte Augen beim Anblick der anmutig tänzelnden Schimmel und klatschte begeistert Beifall, als die Seehunde Bälle auf ihren Nasen balancierten.
    Endlich kamen die Flying Adolphus Brothers in die Manege gelaufen. Sie sahen alle jung und sehr gut aus in den blauen Kostümen, zu denen kurze, glitzernde Capes gehörten, aber Pierre war der Attraktivste. Ellen strahlte, als er auf sie zumarschierte und sich tief vor ihr verbeugte. Dann wandte er sich ab und schlug an der Bande entlang ein Rad nach dem andern.
    Ehrfürchtig schaute sie zu, wie die sechs schwungvoll ihre Capes ablegten und an Seilen zu den Trapezen hinaufkletterten. Das Sicherheitsnetz wirkte nicht besonders stark, und Ellen schlug das Herz bis zum Hals. Die Trapeze befanden sich direkt unter der Zeltkuppel. Pierre und zwei seiner Partner hängten sich mit den Kniekehlen in der Holzstange ein und fingen die andern drei auf, die hin- und herschwangen und sich dann fallen ließen. Nach einer Weile wurde gewechselt.
    Ellen konnte kaum hinsehen. Sie hatte

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