Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
vergrabenen Schatz.«
»So hab ich das noch nie gesehen«, bekannte Albert. Er lächelte, weil die Ernte in diesem Jahr besonders gut ausfiel. »Wenn ich nur daran denke, wie oft der Boden vom Regen aufgeweicht war und die Kartoffeln so winzig waren, dass man sie fast nicht gefunden hat!«
Er nahm die Thermosflasche Tee vom Traktor. Sie setzten sich auf zwei umgedrehte Kisten, und Ellen fragte:
»Als du so alt warst wie ich, war es da eigentlich sehr schwer, das Land hier zu bestellen?«
Er zuckte mit den Schultern. »Schon, aber ich hab ja nichts anderes gekannt. Ich musste froh sein, dass ich jeden Tag was Warmes zu essen hatte. Es gab ’ne Menge Leute, die in den Dreißigerjahren nichts zu beißen hatten.«
Ihr wurde plötzlich klar, wie wenig sie über seine Vergangenheit wusste. »Hast du nie was anderes machen oder von hier fortgehen wollen?«, fragte sie neugierig.
»Damals gabs nur Arbeit als Farmer, Bergarbeiter oder Fischer, wenn man nicht als feiner Herr geboren worden war. Vielleicht wär alles anders gekommen, wenn meine Brüder bei Kriegsausbruch nicht Soldaten geworden wären, aber einer von uns musste hier bleiben, und das war eben ich. Unser Dick ist neunzehnhundertvierzig in Frankreich gefallen, er war gerade mal sechsundzwanzig, ein Jahr älter als ich. Meinem Vater hat es das Herz gebrochen. Er starb ein Jahr später, und da blieb mir gar nichts anderes übrig, als die Farm weiterzuführen.«
»Ich hab gar nicht gewusst, dass du Brüder hast!«, rief Ellen überrascht. »Was ist aus ihnen geworden?«
»Es ist nur noch einer da, Eric, er ist zwei Jahre jünger als ich. Wir haben uns nach dem Tod meiner Mutter, als ich die Farm erbte, zerstritten. Er ging kurze Zeit später von hier fort. Keine Ahnung, was aus ihm geworden ist. Ich hab niemals wieder was von ihm gehört.«
»Warum hast du mir nie von Dick und Eric erzählt?«, erkundigte sie sich vorsichtig. Irgendwie war es ihr nicht geheuer, dass er ihr seine Brüder verheimlicht hatte.
»Weiß auch nicht«, antwortete Albert schulterzuckend. »Wieso hätte ich? Wir haben uns ja sowieso nicht vertragen. Und dann hab ich Clare, deine Mutter, geheiratet. Sie war nicht geschaffen für ’n Leben als Farmersfrau. Das Leben auf einer Farm ist zu hart für jemanden, der nicht hier geboren ist. Vielleicht wär alles ganz anders gekommen, wenn ich Schreiner oder Bauhandwerker gewesen wär und wir uns ein kleines Häuschen in der Stadt hätten leisten können.«
Dann schwieg er, und Ellen wusste, sie würde nichts mehr aus ihm herausbekommen.
Sie nippte an ihrem Tee und dachte über die Worte ihres Vaters nach. Noch vor einer Woche hätte sie ihm zugestimmt, aber durch die Begegnung mit Pierre sah sie die Dinge in einem völlig neuen Licht. Wäre sie genauso verknallt in ihn, wenn er ein einfacher Lastwagenfahrer oder Bauarbeiter wäre? Konnte es nicht sein, dass ihre Mutter sich deshalb zu Albert Pengelly hingezogen gefühlt hatte, weil er dieses wunderschöne Stück Land besaß und sie die Vorstellung, dass er sein eigenes Gemüse anbaute und seine eigenen Kühe melkte, so romantisch gefunden hatte?
»Ja, vielleicht«, stimmt sie ihrem Vater zu. »Aber ich glaube, dass das einfach Schicksal ist, wenn sich zwei Menschen ineinander verlieben.«
Albert lachte leise und zupfte sie an den Haaren. »Was weiß denn mein kleines Mädchen von diesen Dingen?«
Sie wurde rot. »Nur das, was ich darüber gelesen habe. Ich werd jetzt lieber weitermachen. Ich hab Janet versprochen, dass ich sie heute Nachmittag in der Stadt treffe.«
Beim Frühstück erzählte sie ihm, sie sei mit Janet, ihrer Schulfreundin, im Zirkus gewesen. Sie zeigte ihm sogar ihr neues Kleid und die Schuhe. Er schien sich über ihre Unternehmungslust zu freuen und meinte, sie solle ruhig öfter ausgehen. Sie hoffte, er hätte nichts dagegen, dass sie auch an diesem Abend nicht da sein würde.
»Mach gegen Mittag auf dem Acker Schluss, es wird sonst dort draußen zu heiß«, sagte er. »Außerdem hast du dir eine Pause verdient. Warum bleibst du nicht in der Stadt? Ich geh heute Abend sowieso auf ein Glas ins Pub.«
Ellen strahlte. Das war ja einfacher gewesen, als sie befürchtet hatte!
Die Nachmittagsvorstellung war genauso spannend wie die am Abend, was zum einen daran lag, dass Ellen jetzt ein bisschen mehr über die Artisten wusste, und zum andern an den vielen Kindern im Zuschauerraum. Ihr ehrfürchtiges Staunen war ansteckend.
Als Pierre und seine Partner ihren Auftritt
Weitere Kostenlose Bücher