Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
Sie besaß lediglich einen BH und zwei schäbige, schon ganz graue Schlüpfer. Sie würde vor Scham sterben, wenn irgendjemand sie darin sah. Ob sie sich vor dem Fototermin noch neue Wäsche besorgen sollte?
Sie ließ ihr Haar am offenen Fenster trocknen und zählte unterdessen ihr Geld. Ihren Wochenlohn hatte sie noch nicht angerührt, die Drinks im Pub waren auf die Mädchen gegangen, und sie hatte noch drei Pfund von dem Geld, das sie zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Abzüglich der Miete für diese Woche machte das acht Pfund.
Noch vor kurzem hätte sie das für ein Vermögen gehalten. War es klug, einen Teil in neue Unterwäsche zu investieren, obwohl noch gar nicht feststand, dass Beetle sie engagieren würde? Ja, das war es, entschied sie. Sie würde viel selbstbewusster auftreten, wenn sie wüsste, sie hatte hübsche Unterwäsche an.
Um fünf vor elf stand sie in Porchester Mews und suchte das Studio. Die Mews waren zu Wohnungen oder Garagen umgebaute ehemalige Stallungen, entsetzlich schäbige Gebäude mit kleinen Autowerkstätten, Druckereien und anderen Läden im Erdgeschoss, Müllbergen auf der Straße und Wohnungen über den Geschäften, die von außen so heruntergekommen wirkten wie das Haus, in dem Josie wohnte.
Sie wusste inzwischen, dass Westbourne Grove, Ladbroke Grove und Paddington zu den verrufensten Gegenden Londons gehörten. Westbourne und Ladbroke Groves waren mehr oder weniger Slums; hier wohnten Einwanderer, die von skrupellosen Hausbesitzern ausgebeutet wurden; Paddington war das Viertel der Prostituierten. Da sie nicht genau wusste, wie eine Prostituierte eigentlich aussah, machte sie der Gedanke, man könnte sie für eine halten, ganz nervös.
»Juhuuu!«, rief jemand hinter ihr. Sie drehte sich um und sah Tina und Candy auf sich zukommen.
Die Sonne schien, und die Mädchen trugen ärmellose Minikleider, die mindestens fünf Zentimeter kürzer als Josies waren. Josie erschrak. Hoffentlich hielten sie sie nicht für altmodisch.
Candy lächelte. »Du siehst fabelhaft aus.« Sie schien es ehrlich zu meinen. »Beetle wird begeistert sein. Nervös?«
Josie nickte. Sie hatte an diesem Morgen vor lauter Aufregung keinen Bissen heruntergebracht, und wenn sie noch ein wenig länger hätte warten müssen, wäre sie wahrscheinlich geflüchtet.
»Das erste Mal ist immer am schlimmsten.« Tina legte ihr den Arm um die Schultern. »Wenn du das erst ein paarmal gemacht hast, kannst du dir gar nicht mehr vorstellen, dass du mal Lampenfieber hattest. Tu einfach so, als wärst du eine Schauspielerin. Was anderes ist es im Grunde nicht. Spiel die Verführerische.«
Der Name Beetle passte zu dem kleinen, vierschrötigen Mann mit der Pilzkopf-Frisur der Beatles. Er war um die vierzig, und sein schwarzes Haar sah verdächtig nach einer Perücke aus, aber er hatte einen ganz eigenen Charme, der Josie die Befangenheit nahm. Nachdem Tina und Candy sie miteinander bekannt gemacht hatten, gingen sie sich umziehen. Beetle brachte Josie einen Kaffee und bot ihr eine Zigarette an.
»Du bist wunderschön, Jojo«, sagte er. Er berührte ihr Haar und wickelte sich eine Strähne um den Finger. »Ein so bezauberndes Mädchen wie dich findet man nur alle paar Jahre. Tina rief mich gestern Abend an und hat mir von dir erzählt. Du brauchst keine Angst zu haben, ich werde dich zu nichts zwingen. Ich steig auch nicht mit meinen Mädchen ins Bett. Ich bezahle sie nach jedem Shooting, und ich sorge für sie. Vertrau mir.«
Sie befanden sich in einem kleinen, aber sehr ordentlichen, sauberen Büro, das vom eigentlichen Atelier abgetrennt war. Ein Schreibtisch, ein Aktenschrank und ein paar Stühle standen darin. An den Wänden hingen Fotos von Mädchen in Bikinis, Negligees, Pelzmänteln. Kein Model war völlig unbekleidet, auch wenn das eine oder andere den Mantel oder die Bluse geöffnet hatte und nackte Haut darunter zeigte.
Das Studio selbst war geräumig. Es schien sich über zwei der darunter liegenden Garagen zu erstrecken. Glänzendes Linoleum bedeckte den Fußboden; die Wände waren schlicht gehalten. Verschiedene Kulissen wie für einen Film waren aufgebaut: eine Couch mit einem Zottelfell darauf, eine Strandszene mit Sand auf dem Fußboden, ein Bett, auf dem sich ein paar Kissen türmten.
Während Josie sich mit Beetle unterhielt, kam Candy in glänzenden schwarzen Stiefeln und einem sehr kurzen schwarzen Satinpetticoat herein und ging zu der Couch. Da ein großer weißer Schirm davor stand,
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