Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
kurzem ein möbliertes Zimmer gesucht und vier Pfund die Woche für ein Vermögen gehalten hatte ...
Als sie später in der U-Bahn saß, wanderten ihre Gedanken zu Ellen. In den letzten zwei Wochen war kein Tag vergangen, an dem sie nicht an sie gedacht hatte. Sie hätte gern Kontakt zu ihr aufgenommen, fand aber nicht den Mut dazu. Sie war sich nicht sicher, wie weit sie Ellen vertrauen konnte. Was sie wohl zu ihrer Modelkarriere sagen würde? Würde sie arrogant die Nase rümpfen? Oder lachen und ihr gratulieren?
Dass sie es nicht wusste, stimmte sie traurig. Noch vor einem Jahr wäre sie im Stande gewesen, Ellens Reaktion exakt vorherzusagen. Sie hatten nie Geheimnisse voreinander gehabt. Sie erinnerte sich, wie Ellen ihr alles über Pierre erzählt hatte, weil sie stillschweigend davon ausgegangen war, Josie würde ihren Eltern nichts verraten. Wodurch war dieses Vertrauen zerstört worden? Was hatte sie so sehr verändert, dass sie eine Schwangerschaft als Rechtfertigung dafür vorgetäuscht hatte, die angeblich geliebte Schwester allein zu Hause zurückzulassen? War der Grund dafür nur die enttäuschte Liebe zu einem Mann, der sie im Stich gelassen hatte?
Josie war ein anderer Verdacht gekommen: Vielleicht war es Ellen in Bristol ähnlich ergangen wie ihr selbst seinerzeit in Helston: Sie hatte erkannt, wie bescheuert ihre Familie war, und wollte nichts mehr mit ihr zu tun haben.
Am ersten Oktober stand Josie in ihrer neuen Wohnung. Sie hielt den Schlüssel in der Hand und hatte Herzklopfen vor Freude und Aufregung.
Die Wohnungssuche hatte sich schwierig gestaltet. Vermieter und Makler waren ein misstrauisches Volk. Aber dann hatte sich Beetle eingeschaltet, und so war sie zu dieser Wohnung in Elm Park Gardens in Chelsea gekommen. Sie lag nur fünf Gehminuten von der King’s Road entfernt.
Im Gegensatz zu den mächtigen viktorianischen Häusern in der Straße war dieser Wohnblock neu und nach praktischen Gesichtspunkten gebaut worden. Josies Wohnung im vierten Stock hatte zwei Zimmer, Küche und Bad und war, abgesehen von Herd und Kühlschrank, unmöbliert. Doch das störte Josie nicht. Hauptsache, der Albtraum in der Westbourne Park Road war zu Ende. Sie würde mit dem größten Vergnügen auf dem Teppichboden schlafen. Das würde sie in der nächsten Zeit auch müssen: Für Möbel hatte sie nämlich kein Geld mehr.
Ins Café war sie nicht wieder zurückgekehrt. Seit sie vor neun Wochen bei Beetle angefangen hatte, hatte sie wöchentlich sieben Shootings gemacht. Über neunhundert Pfund hatte sie bisher verdient, doch ein Großteil war für die Wohnung draufgegangen: zweihundert für die Abstandssumme, weitere hundert für die Mietvorauszahlung für einen Monat plus eine beträchtliche Kaution. Den Rest hatte sie für Kleider, Essen und andere Lebenshaltungskosten ausgegeben.
Mehr als die Hälfte ihres Ersparten für eine Wohnung hinzublättern, erschien ihr einfach absurd. Sie hatte mit Tina darüber gesprochen, doch die hatte nur gelacht und gemeint, sie verdiene ja auch absurd viel Geld, und sie solle nicht vergessen, die Abstandssumme und die Kaution zurückzufordern, falls sie je wieder ausziehen würde.
Josie schälte sich aus dem Mantel und trug dann ihren Koffer und den Kissenbezug, in den sie ihre Sachen gestopft hatte, ins Schlafzimmer. Wenigstens einen Wandschrank gab es. Während sie ihre Kleider einräumte, legte sich ihre Unruhe allmählich. Sie dachte an die Zukunft. Sie sei eine heiße Nummer, versicherte Beetle ihr immer wieder, und wenn sie erst einmal sechzehn sei, würde er sie an all die namhaften Hochglanzmagazine vermitteln können, und dann würde sie richtig berühmt werden.
Nachdem sie ihre Kleider weggehängt hatte, ging sie ins Wohnzimmer zurück. In einem großen Karton hatte sie ein Bügeleisen, einen Föhn, ein Radio und Küchenutensilien verstaut. Sie nahm einen Gegenstand nach dem anderen heraus und sagte sich bei jedem, dass sie ihn selbst gekauft habe und dass das ein konkreter Beweis dafür sei, wie viel sie seit ihrer Ankunft in London erreicht hatte.
Eines allerdings war ihr bisher nicht gelungen: eine Freundin zu finden. Sie hätte nie gedacht, dass sie Rosemary und ihre anderen Schulkameradinnen so sehr vermissen würde. Kaum ein Tag verging, an dem sie sich nicht fragte, was sie jetzt wohl gerade machten. Ob Rosemary den Job in Truro bekommen hatte? Wer war wohl in der Versandabteilung für sie eingesprungen?
Josie dachte auch an ihre Eltern. Hatten sie
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