Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Titel: Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LESLEY PEARSE
Vom Netzwerk:
Tragweite dessen, was Mark ihr über Beetle und seine schmutzigen Machenschaften erzählt hatte, war ihr erst bewusst geworden, als er sich vor dem Restaurant von ihr verabschiedet hatte. Hätte sie von vornherein gewusst, dass sie sich vor alten Lustmolchen entblößen sollte, hätte sie den Job niemals angenommen, nicht einmal für hundert Pfund am Tag.
    Aber jetzt wusste sie es, und beim bloßen Gedanken daran, ins Studio zurückzukehren, bekam sie eine Gänsehaut. Sie war kein Flittchen, die anderen Mädchen vielleicht, sie nicht. Sie war noch immer Jungfrau und hatte keinem Jungen mehr erlaubt, als sie obenherum anzufassen.
    Wovon sollte sie leben, wenn sie den Job im Studio hinschmiss? Sie besaß noch ungefähr drei Pfund, und in vier Wochen war die nächste Miete in Höhe von hundert Pfund fällig. So viel Geld konnte sie nirgends sonst verdienen.
    Der einzige Strohhalm, an den sie sich klammern konnte, war Mark und die Aussicht auf einen Job als Model. Aber wenn er nun nichts mehr von sich hören ließ?
    Sie wünschte, sie hätte diese Wohnung nie gesehen. Ihr fiel ein, dass es Candy und Tina gewesen waren, die sie gedrängt hatten, sich etwas Luxuriöses zu suchen. Waren sie in Beetles Geschäfte eingeweiht? Lachten sie heimlich über sie, das Dummchen vom Land? Sie hatte Beetle vertraut, doch jetzt hegte sie den Verdacht, dass er die Sache mit der kostspieligen Wohnung bewusst arrangiert hatte, damit sie gezwungen war, weiter bei ihm zu arbeiten.
    Josie krallte die Hände in die Daunendecke, die er ihr geschenkt hatte. Sie hatte das für eine großzügige Geste gehalten, doch jetzt kam es ihr eher wie ein Bestechungsversuch vor: Sie sollte arbeiten und keine Fragen stellen. Josie wusste nicht, auf wen sie wütender war, auf Candy und Tina, auf Beetle oder auf sich selbst. Wie hatte sie nur so dämlich sein können?
    Zum ersten Mal, seit sie von zu Hause fortgegangen war, sehnte sich Josie nach ihrer Mutter, nach einer Umarmung, nach dem Gefühl der Geborgenheit. Cornwall mochte langweilig sein, aber wenigstens konnte sie den Menschen, die dort lebten, vertrauen.
    Wind kam auf und rüttelte an den Fenstern, und sie dachte an zu Hause. Der Waldweg zur Straße war jetzt von einer hohen Laubschicht bedeckt, einem Teppich in Braun-, Gold- und Orangetönen. Wenn sie das Fenster öffnen würde, würde sie die Brandung hören können, und die Schafe würden sich im Schutz der Hecken aneinander drängen.
    Sie stieg aus dem Bett und trat ans Fenster. Die Pfützen auf dem Asphalt und die schmierige Schicht festgefahrener Blätter glitzerten im Licht der Straßenlampen. Überall sah sie hell erleuchtete Fenster, trotzdem kannte sie hier keinen Menschen. Auf der Farm waren ringsum keine Lichter zu sehen, aber ihre Familie und sie kannten jeden im Umkreis von zehn Meilen und wussten, im Notfall wären die Nachbarn zur Stelle.
    Sie verscheuchte das Heimweh. Es half nichts: Morgen würde sie zu Beetle zurückkehren müssen. Vielleicht ließe es sich einrichten, dass sie am Wochenende nach Hause fuhr; bis dahin würde sie genug Geld beisammen haben, um nicht mit leeren Händen dazustehen. Oder Mark würde sich in der Zwischenzeit melden, und alles würde in Ordnung kommen.
    In der folgenden Woche kam es Josie so vor, als hätte man ihr eine Brille aufgesetzt. Plötzlich nahm sie ihre Umgebung so wahr, wie sie tatsächlich war: schmutzig, hässlich, ekelhaft. Sie erinnerte sich an Fees Worte, dass es Vermieter gab, die die Armen und Wehrlosen ausbeuteten, ihnen horrende Mieten abverlangten, sodass sie gezwungen waren unterzuvermieten, wenn sie nicht verhungern wollten. Sie hatte das damals für eine Übertreibung gehalten, aber wenn sie jetzt an verslumten Häusern in Paddington vorüberging, erfasste sie Mitleid mit den Bewohnern. Sie wusste inzwischen auch, warum Cafés und Restaurants Arbeitskräfte ohne Sozialversicherungskarte einstellten: Denen brauchte man nur Niedriglöhne zu zahlen, weil sie es nicht wagen konnten aufzubegehren.
    Josie besah sich die Männer, die ins Studio kamen, genauer und fragte sich, wie in aller Welt sie sie für Fotografen hatte halten können. Man sah ihnen ihre Verkommenheit regelrecht an. Sie waren nicht im Stande, ihr in die Augen zu schauen oder sich mit ihr zu unterhalten, und ihr wurde übel bei dem Gedanken, dass die Kamera ihnen ein Gefühl von Macht verlieh.
    Ihr war jetzt auch klar, dass die anderen Mädchen Bescheid wussten. Vielleicht waren sie anfangs genauso ahnungslos gewesen

Weitere Kostenlose Bücher