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Wenn Tote schwarze Füße tragen

Wenn Tote schwarze Füße tragen

Titel: Wenn Tote schwarze Füße tragen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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einen Haufen Banknoten im Kamin
verbrannt. Und um soviel Geld zu verbrennen, müsse man es erst mal haben...
Diese für Geizhälse gräßliche Enthüllung hat offenbar auch auf den Hund eine
gewisse Wirkung. Unbemerkt entfernt er sich unerlaubt von der Truppe. Plötzlich
stößt er ein langgezogenes, unheilvolles Heulen aus. Irgend jemand brüllt —
mindestens so laut wie der Hund — , daß der Köter störe und man ihn zum
Schweigen bringen müsse. Und alle stürmen zu der Stelle, von der die
herzzerreißenden Töne kommen: zu dem Schuppen, in dem sich die Säge befindet.
    Mit den Vorderpfoten und der Schnauze
wühlt der Hund, immer noch jaulend, in einem Haufen Sägemehl, so als wolle er
sich eine Höhle buddeln.
    Das Sonnenlicht, in dem
Staubpartikelchen tanzen, fällt zuerst auf ein Bein. Ein Frauenbein in einem
zerfetzten Seidenstrumpf. Ein junges Bein, das sicherlich nicht mehr altern
wird.

Der „Bonaparte“
     
     
     
    Der Straßenlärm dringt nur gedämpft in
das Büro der Kripo, dessen Fußboden mit Seifenlauge abgeschrubbt worden ist.
Das Fenster geht auf einen ruhigen, in der schrägen Abendsonne melancholisch
daliegenden Innenhof hinaus. Fliegen fliegen ein und aus, so als hätten sie den
Flics kollegiale Nachrichten zu übermitteln.
    Kommissar Vaillaud, sein purpurrotes
Ohr an den Telefonhörer gepreßt, spricht in die Muschel oder hört zu, ohne
seine blauen, spärlich bewimperten Augen von dem Kalender an der
gegenüberliegenden Wand zu wenden. Ein Flic in Zivil, wohl der Sekretär, sitzt
hübsch brav an einem anderen Tisch.
    Dorville kauert niedergeschlagen auf
seinem Stuhl, der bei jeder Bewegung ächzt. Ich sitze auf einem anderen Stuhl
und warte auf eine Art Urteilsspruch.
    Und mitten unter uns, allgegenwärtig,
der Leichnam von Agnès Dacosta!
    Man hat sie von dem Sägemehl befreit,
mit dem ansonsten auch der Boden des Korbes bedeckt ist, in den der Kopf der
Guillotinierten rollt. Agnès hatte das Abendkleid an, in dem ich sie bereits
auf dem Foto gesehen habe. Aber in welch traurigem Zustand waren Kleid und
Körper! Insekten hatten sich schon an die Arbeit gemacht. Das Gesicht war kaum
mehr zu erkennen. Es ist wahr: Eine Kugel in den Nacken verursacht beim
Austreten auf der anderen Seite erheblichen Schaden. Der einzige Schmuck der Toten
bestand in der Armbanduhr, deren Zeiger auf 3 Uhr stehengeblieben waren (ein
Indiz von keinerlei Bedeutung). „Keine Halskette, keine Ohrringe o.ä.“,
glaubten die Gendarme notieren zu müssen. Die Schuhe waren von den Füßen
gerutscht. Ganz gewöhnliche Schuhe mit flachen Absätzen. Auch die Mordwaffe
wurde — mit leerem Magazin — in dem Sägemehl gefunden. Es handelt sich um einen
Armeerevolver, der Dacosta gehört hat und, wie sein Besitzer, repatriiert
worden ist. Im Haus des Erhängten konnte keine Munition gefunden werden, die zu
der Waffe gepaßt hätte.
    Als Kommissar Vaillaud am Tatort
auftauchte, nahm er mich sogleich in die Mangel. Ich mußte das Maul auftun. Na
ja, jedenfalls einen Spaltbreit. Ich nannte Namen, unter anderem den von
Dorville. Und so haben wir uns alle hier im Firmensitz der Leichen-GmbH zu
einem angeregten Kolloquium zusammengefunden.
    Da ich bei dem Kommissar eine gewisse
Voreingenommenheit mir gegenüber bemerkte, habe ich ihm vorgeschlagen, er solle
doch seinen Kollegen Faroux anrufen, den Chef der Kripo am Quai des Orfèvres in
Paris. Der werde mir schon ein einwandfreies Gesundheitszeugnis ausstellen.
Vaillaud dachte, ich würde bluffen, und hat meinen Vorschlag angenommen...
    Er legt auf und sieht mich etwas
freundlicher an.
    „Na ja“, sagt er, „Monsieur Faroux
zufolge sind Sie kein übler Bursche. Nur daß Sie ganz einfach das verdammte
Talent besitzen, sich in Fälle von Mord und Totschlag verwickeln zu lassen...“
    „Ja, aber seien Sie unbesorgt,
Kommissar. Mein Vorrat ist nicht unbegrenzt. Bei zwei Toten an einem Tag, so
wie heute, da muß ich mir erst mal eine Ruhepause gönnen.“
    „Wollen wir’s hoffen! Bevor Sie gehen,
fassen wir noch einmal zusammen...“
    Er faßt zusammen, wobei er die Notizen
vor sich auf dem Schreibtisch zu Hilfe nimmt.
    „Laut Monsieur Dorvilles Aussage“,
beginnt er, „hat Monsieur Dacosta ihn vor einer Woche über das Verschwinden
seiner Tochter Agnès informiert. Dacosta wollte die Polizei nicht
benachrichtigen. Wie Sie, Monsieur Burma, sagen, schien ihn das Schicksal
seiner Tochter mehr oder weniger gleichgültig zu lassen. Wichtig dabei:
Monsieur Dacosta hat die

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