Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)
überstürzen sich die Hiobsbotschaften. Der Mord an der Krankenschwester in Rowayton; Molly Lasch muß wahrscheinlich wieder ins Gefängnis, obwohl sie eigentlich in eine Anstalt gehört; dann der Tod von Mrs. Colbert und ihrer Tochter so kurz nacheinander.
Um halb zwölf rief Edna an. »Wir freuen uns schon auf deinen Kuchen«, sagte sie.
»Ich bin gleich da«, erwiderte Marta erleichtert.
Doch als sie zur Tür hereinkam, erkannte sie auf Anhieb, daß sie mit ihrer Vermutung recht gehabt hatte. Edna steckte offenbar in Schwierigkeiten. Außerdem war Wally anscheinend in schlechter Stimmung. Er hatte die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, sah zerrauft aus und bedachte seine Mutter mit finsteren Blicken.
»Wally, schau, was ich dir mitgebracht habe«, meinte Marta und wickelte den Kuchen aus der Alufolie. »Er ist noch warm.«
Wally achtete nicht auf sie. »Mom, ich wollte doch nur mit ihr reden. Was ist denn so schlimm daran?«
Ach, du meine Güte, dachte Marta. Ich wette, daß er allein bei Molly Lasch war.
»Ich bin nicht ins Haus gegangen. Ich habe nur reingeschaut. Damals war ich auch nicht drin. Aber du glaubst mir ja nie was.«
Marta bemerkte Ednas erschrockene Miene. Ich hätte nicht kommen sollen, überlegte sie und sah sich ratlos um. Edna kann es nicht leiden, wenn ich sehe, wie Wally die Beherrschung verliert. Manchmal erzählt er eben ziemlichen Unsinn. Einmal hat er sie sogar beschimpft.
»Wally, mein Junge, iß doch etwas von Martas Kuchen«, flehte Edna.
»Molly hat gestern dasselbe gemacht wie damals, Mom. Sie hat das Licht angeknipst und dann Angst bekommen. Nur, daß Dr. Lasch nicht voller Blut war wie beim letztenmal.«
Marta legte das Messer weg, mit dem sie gerade den Kuchen hatte anschneiden wollen. Sie drehte sich zu Edna um. »Was meint Wally damit, Edna?« fragte sie ruhig. Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.
Edna brach in Tränen aus. »Überhaupt nichts. Er weiß nicht, wovon er redet. Sag Marta, daß du nicht weißt, wovon du redest, Wally!«
Offenbar war Wally über den Ausbruch erschrocken. »Tut mir leid, Mom. Ich verspreche, Molly nicht mehr zu erwähnen.«
»Nein, Wally, ich finde, du solltest es tun«, erwiderte Marta. »Edna, wenn Wally etwas über Dr. Laschs Tod weiß, mußt du mit ihm zur Polizei gehen, ob er nun dein Sohn ist oder nicht. Du kannst nicht zulassen, daß Molly Lasch vom Bewährungsausschuß zurück ins Gefängnis geschickt wird, wenn sie ihren Mann nicht getötet hat.«
»Wally, hol das Gepäck aus dem Auto«, sagte Edna Barry mit tonloser Stimme zu ihrem Sohn. Sie sah Marta flehend an. »Du hast recht. Wally muß bei der Polizei aussagen. Aber bitte gib mir bis Montag morgen Zeit. Er braucht einen Anwalt, der seine Interessen vertritt.«
»Wenn Molly Lasch wegen deines Schweigens wirklich fünfeinhalb Jahre unschuldig im Gefängnis verbracht hat, bist wahrscheinlich eher du es, die einen Anwalt braucht«, stellte Marta fest und betrachtete ihre Freundin traurig und mitfühlend.
Die beiden Frauen saßen wortlos da, während Wally geräuschvoll ein Stück Kuchen verzehrte.
80
D en restlichen Samstag vormittag verbrachte Fran damit, sämtliche Artikel zu lesen, die Dr. Adrian Lowe geschrieben hatte oder die sich mit ihm befaßten. Verglichen mit ihm ist Dr. Kevorkian, der sich für den Tod auf Verlangen einsetzt, ein zweiter Albert Schweitzer, dachte sie. Lowes These war von bestechender Schlichtheit: Dank des medizinischen Fortschritts lebten die Menschen zu lang. Die Alten verbrauchten finanzielle und medizinische Ressourcen, die anderweitig besser genutzt werden konnten.
In einem Artikel hieß es, die aufwendige Behandlung von chronisch Kranken sei verschwenderisch und überflüssig. Die Entscheidung über Leben und Tod des Betreffenden sollte von medizinischen Fachleuten ohne Hinzuziehung der Angehörigen gefällt werden.
Eine andere Abhandlung beschrieb Lowes Theorie, daß Koma-Patienten sich vorzüglich für Versuche mit neuen oder unerprobten Medikamenten eigneten. Ob eine rasche Besserung oder der Tod eintrat, spielte laut Lowe bei ihnen keine Rolle, da es so oder so das beste für sie sei.
Als Fran Lowes berufliche Laufbahn mit Hilfe der verschiedenen Artikel verfolgte, erfuhr sie, daß sein Standpunkt für die Universität untragbar geworden war, weshalb
man das Arbeitsverhältnis beendete hatte. Auch die Ärztekammer hatte ihn ausgeschlossen. Er war sogar wegen der vorsätzlichen Tötung von Patienten in drei
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