Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)
langen Pause.
Molly entging Frans erstaunter Ton nicht. »Fran«, begann sie. »Mein Wunsch, Annamarie persönlich zu treffen, steht nicht in Zusammenhang mit deinen Recherchen. Daß ich fünfeinhalb Jahre im Gefängnis verbringen mußte, hat unmittelbar mit der Tatsache zu tun, daß mein Mann mit ihr eine Affäre hatte. Mir erscheint es so merkwürdig, daß ein Mensch, den ich nicht einmal kenne, mein Leben derart einschneidend verändern konnte. Was hältst du von einer Abmachung? Wenn ich sie aufspüre oder wenigstens einen Hinweis bekomme, gebe ich dir Bescheid. Umgekehrt halten wir es genauso. Einverstanden?«
»Das muß ich mir noch überlegen«, erwiderte Fran. »Ich wollte dir nur sagen, daß ich deinen Anwalt anrufen und ihn nach ihr fragen werde. Annamarie stand in dem Prozeß gegen dich auf der Zeugenliste, und deshalb müßte er ihre letzte Adresse in seinen Akten haben.«
»Ich habe mich schon bei Philip danach erkundigt. Er schwört, er hat die Adresse nicht.«
»Ich versuche es trotzdem, nur für alle Fälle. Jetzt muß ich mich aber beeilen.« Fran hielt inne. »Sei auf der Hut, Molly.«
»Komisch, Jenna hat vorgestern abend dasselbe zu mir gesagt.«
Molly legte auf und dachte an ihre Worte an Philip Matthews – wenn ihr etwas zustieß, würde das wenigstens ein Beweis dafür sein, daß jemand Grund hatte, Frans Nachforschungen über Garys zu Tod verhindern.
Wieder läutete das Telefon, und Molly wußte instinktiv, daß es ihre Mutter und ihr Vater aus Florida waren. Sie redeten über dieses und jenes, bis sich ihre Eltern schließlich an das Thema heranwagten, wie sie allein im leeren Haus zurechtkäme. Molly versicherte ihnen, alles sei in bester Ordnung. »Was ist denn eigentlich mit den Sachen aus Garys Schreibtisch geschehen?« erkundigte sie sich schließlich.
»Die Staatsanwaltschaft hat das ganze Arbeitszimmer bis auf die Möbel ausgeräumt«, erwiderte ihre Mutter. »Als der Prozeß vorbei war, habe ich alles, was zurückgegeben wurde, in Kisten verpackt und auf den Speicher gestellt.«
Daraufhin beendete Molly das Gespräch so schnell wie möglich, denn sie wollte den Speicher in Augenschein nehmen. Dort entdeckte sie tatsächlich in einem Regal eine Reihe ordentlich gepackter Kisten. Sie schob die Kartons mit den Büchern, Skulpturen, Bildern und Zeitschriften beiseite und holte die beiden mit der Aufschrift ›Schreibtisch‹ hervor. Sie wußte genau, was sie suchte: den Taschenkalender, den Gary immer bei sich getragen, und den Terminkalender, den er in der obersten Schublade aufbewahrt hatte.
Vielleicht finde ich darin Aufzeichnungen, die mir verraten, was Gary sonst noch getrieben hat, dachte sie.
Zögernd öffnete sie den ersten Karton. Sie hatte Angst, womöglich auf etwas Unangenehmes zu stoßen, war aber dennoch fest entschlossen, soviel zu erfahren, wie sie konnte.
25
W ie hat sich unser Leben in den letzten sieben Jahren verändert, dachte Barbara Colbert, als sie die vertraute Landschaft an sich vorüberziehen sah. Wie jede Woche fuhr Dan, ihr Chauffeur, sie von ihrer Wohnung in der Fifth Avenue zum Natasha-Colbert-Pflegeheim, das auf dem Gelände der Lasch-Klinik in Greenwich stand. Vor dem Heim angekommen, blieb Barbara noch eine Weile im Auto sitzen, um sich innerlich auf den Besuch vorzubereiten. Denn sie wußte, daß es ihr wieder das Herz brechen
würde, wenn sie Tashas Hand hielt und Worte sagte, die diese vermutlich nicht hören und ganz sicher nicht verstehen konnte.
Barbara Colbert war eine weißhaarige Frau von Mitte Siebzig mit einer tadellosen Haltung. Seit dem Unfall fühlte sie sich um zwanzig Jahre gealtert. In der Bibel hat ein Zeitzyklus immer sieben Jahre, überlegte sie. Sieben fette Jahre, sieben Hungerjahre. Sie schloß den obersten Knopf ihrer Nerzjacke. Doch das Wort Zeitzyklus beinhaltete auch die Möglichkeit einer Entwicklung, und die würde bei Tasha, die nun schon seit sieben Jahren dahindämmerte, nie mehr stattfinden.
Tasha hat uns soviel Freude gemacht, sagte sich Barbara Colbert bedrückt. Sie war ein wunderschönes und unerwartetes Geschenk. Barbara war fünfundvierzig gewesen, Charles, ihr Mann, fünfzig, als sie feststellte, daß sie schwanger war. Die Söhne der Colberts besuchten bereits das College, und sie hatten sich damit abgefunden, daß ihre Kinder nun endgültig aus dem Haus waren.
Wie immer, wenn Barbara sich überwinden mußte, aus dem Auto auszusteigen, kamen ihr dieselben Gedanken in den Sinn. Damals hatten sie
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