Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)
ein Seufzen zu hören, und faßte dann wieder entgegen aller Wahrscheinlichkeit die Hoffnung, daß doch noch Aussicht auf Besserung bestand.
Sie setzte sich neben das Sofa und nahm die Hand ihrer Tochter. In der nächsten Stunde erzählte sie ihr von der Familie. »Amy geht jetzt aufs College, Tasha, kannst du das fassen? Als du den Unfall hattest, war sie erst zehn. Sie sieht dir so ähnlich, daß sie deine Tochter sein könnte, nicht deine Nichte. George junior hat ein bißchen Heimweh, fühlt sich sonst aber im Internat recht wohl.«
Als die Stunde vorbei war, küßte Barbara ihre Tochter müde, aber beruhigt, auf die Stirn und winkte die Krankenschwester ins Zimmer.
Im Empfangsbereich wurde sie von Dr. Peter Black erwartet. Nach dem Mord an Gary Lasch hatten die Colberts erwogen, Tasha in einem anderen Heim unterzubringen, doch Dr. Black hatte sie überredet, ihre Tochter hier zu lassen.
»Wie geht es Tasha heute, Mrs. Colbert?«
»Unverändert, Herr Doktor. Aber mehr können wir auch nicht erhoffen.« Obwohl Barbara Colbert es merkwürdig fand, war ihr Peter Black nicht ganz geheuer. Gary Lasch hatte ihn zu seinem Partner gemacht, und sie hatte keinen Anlaß zur Klage über die Pflege, die Tasha erhielt. Dennoch wurde sie mit dem Mann nicht warm. Vielleicht lag es an seiner engen Verbindung zu Calvin Whitehall, den Charles immer abfällig als Möchtegern-Räuberbaron bezeichnet hatte. Wenn sie bei ihren Besuchen in Greenwich mit alten Freundinnen im Club aß, sah sie Black und Whitehall häufig zusammen.
Als Barbara sich von Peter Black verabschiedete und zur Tür ging, ahnte sie nicht, daß der Arzt ihr nachblickte. Und sie wußte auch nicht, daß er sich an den schrecklichen Moment erinnerte, als klar wurde, daß das Gehirn ihrer Tochter unwiederbringlich geschädigt worden war. Er dachte an die Worte, die eine völlig erschütterte Annamarie Scalli Gary entgegengeschrien hatte: »Als das Mädchen eingeliefert wurde, hatte es nur eine leichte Gehirnerschütterung. Ihr beide habt sie zerstört!«
26
F ast sechs Jahre lang hatte Philip Matthews sich in dem Glauben gewiegt, daß er als Verteidiger sein Bestes getan hatte, damit Molly Lasch mit einer möglichst geringen Strafe davon gekommen war. Fünfeinhalb Jahre für den Mord an einem Arzt, der noch eine statistische Lebenserwartung von weiteren fünfunddreißig Jahren gehabt hätte, kam praktisch einem Freibrief gleich.
»Wenn Sie entlassen werden, müssen Sie das alles vergessen«, hatte er Molly bei seinen Besuchen im Gefängnis gesagt.
Doch nun war Molly auf freiem Fuß und scherte sich den Teufel um seine guten Ratschläge. Offenbar war sie nicht der Ansicht, daß sie großes Glück gehabt hatte.
Philip hatte vor allem das Ziel, Molly vor den Leuten zu schützen, die ganz sicher versuchen würden, sie auszunützen.
Vor Leuten wie Fran Simmons zum Beispiel.
Als er am Freitag nachmittag die Kanzlei verlassen wollte, um ins Wochenende zu fahren, meldete seine Sekretärin, daß Fran Simmons am Telefon war.
Philip überlegte, ob er den Anruf lieber nicht entgegennehmen sollte, beschloß aber dann, daß es besser war, mit ihr zu reden. Seine Begrüßung fiel allerdings recht kühl aus.
Fran kam sofort auf den Punkt. »Mr. Matthews, sicher besitzen Sie die Niederschrift von Molly Laschs Prozeß. Ich hätte gern sobald wie möglich eine Kopie davon.«
»Miss Simmons, ich weiß, daß Sie mit Molly zur Schule gegangen sind. Also sollten Sie sich als alte Freundin dazu durchringen, die Reportage lieber nicht zu machen. Uns beiden ist doch klar, daß Sie Molly damit nur schaden.«
»Könnten Sie mir die Kopie der Niederschrift bis Montag zukommen lassen, Mr. Matthews?« fragte Fran knapp. »Sicher hat Molly Ihnen gesagt, daß sie mir für diese Sendung in jeder Hinsicht Unterstützung zugesichert hat. Sie hat mich sogar darum gebeten zu recherchieren.«
Philip versuchte es anders. »Sie können die Niederschrift schon vor Montag haben. Ich werde sie kopieren und Ihnen morgen zustellen lassen. Aber ich möchte Sie um eines bitten. Molly ist nicht so stabil, wie sie scheint. Wenn Sie im Laufe Ihrer Nachforschungen zu dem Schluß kommen, daß sie schuldig ist, lassen Sie sie in Ruhe und streichen Sie die Sendung. Molly wird die öffentliche Entlastung, die sie sich wünscht, nicht bekommen. Bitte zerstören Sie sie nicht mit einem Schuldspruch, nur damit sie bei den hirnlosen Fernsehglotzern, die sich am Unglück anderer Menschen weiden, höhere
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