Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)
wurde, das in Wirklichkeit ihr Sohn begangen hat?
War es vielleicht so gewesen?
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D r. Daniels Schlaftablette hatte gut gewirkt. Molly hatte sie um zehn Uhr abends genommen und bis acht durchgeschlafen. Als sie aufwachte, fühlte sie sich zwar etwas benommen, aber ausgeruht.
Sie zog ihren Morgenmantel an und wollte nach unten gehen, um Kaffee und Saft für ein Frühstück im Bett vorzubereiten. Sie brauchte dringend Zeit zum Nachdenken, doch als sie in die Küche kam, wurde ihr klar, daß zuerst einmal Aufräumen angesagt war.
Obwohl die Polizisten sich Mühe gegeben hatten, keine allzu große Unordnung zu hinterlassen, war die Atmosphäre im ganzen Haus nicht mehr dieselbe. Molly bemerkte kleine Veränderungen. Alles, was die Beamten berührt oder verschoben hatten, stand nun nicht mehr am richtigen Platz.
Die Vertrautheit ihres Zuhauses, an die sie sich während all der Tage und Nächte im Gefängnis geklammert hatte, war dahin und mußte wiederhergestellt werden.
Molly duschte rasch, schlüpfte in Jeans, Turnschuhe und ein altes Sweatshirt und machte sich an die Arbeit. Kurz spielte sie mit dem Gedanken, Mrs. Barry anzurufen
und sie um Hilfe zu bitten. Doch sie verwarf diesen Einfall sofort wieder. Das ist mein Haus, sagte sie sich. Und ich bin immer noch in der Lage, es selbst in Ordnung zu bringen.
In meinem Leben geht es drunter und drüber, dachte sie verzweifelt, als sie heißes Wasser in die Spüle laufen ließ und Flüssigseife dazugab. Aber ich kann mich immer noch zusammenreißen und mein Haus wieder in Besitz nehmen.
Sorgfältig rückte sie die Teller zurecht, stellte Töpfe und Pfannen in Reih und Glied auf und wischte Fingerabdrücke und Schmierstreifen weg.
Das alles erinnert mich an die überraschenden Zellenkontrollen im Gefängnis, ging es ihr durch den Kopf. Sie hörte noch die entschlossenen Schritte auf dem Korridor und den Befehl, an die Wand zurückzutreten. Dann mußte sie zusehen, wie ihr Bett auseinandergenommen und nach Drogen durchsucht wurde.
Erst als sie sich mit dem Handrücken über die Wange fuhr und dabei Seifenschaum ins Auge bekam, merkte sie, daß sie weinte.
Und es gibt noch einen Grund, warum ich mich freue, daß Mrs. Barry heute ihren freien Tag hat, dachte sie. Ich muß meine Gefühle nicht verstecken, sondern kann ihnen freien Lauf lassen. Dr. Daniels wäre stolz auf mich.
Als Fran Simmons um halb zehn anrief, wachste Molly gerade den Tisch in der Vorhalle ein.
Warum war ich bloß einverstanden, mit ihr zu Mittag zu essen? fragte sie sich, nachdem sie aufgelegt hatte.
Aber sie kannte den Grund. Trotz Philip Matthews Warnung wollte sie Fran sagen, daß Annamarie Scalli sich vor irgend etwas gefürchtet hatte.
Und zwar nicht vor mir, überlegte sie. Sie hatte keine Angst vor mir, obwohl sie überzeugt war, daß ich Gary umgebracht habe.
Oh, Gott, was tust du mir an? fragte sie sich und sank weinend auf die unterste Treppenstufe.
Sie hörte ihre eigenen Schluchzer. Ich bin so einsam, so schrecklich einsam, dachte sie. Sie erinnerte sich an das gestrige Telefonat mit ihrer Mutter. »Schatz, du hast recht, es ist besser, wenn wir dich noch nicht besuchen.«
Wie sehr habe ich mir gewünscht, Mom würde sagen, daß sie bald bei mir sein würden, dachte Molly. Ich brauche sie jetzt. Ich brauche jemanden, der mir hilft.
Um halb elf läutete es an der Tür. Molly schlich hin und wartete. Ich werde nicht öffnen, überlegte sie. Ich werde einfach so tun, als wäre ich nicht zu Hause.
Dann aber hörte sie eine Stimme. »Molly, mach auf, ich bin es.«
Molly schluchzte erleichtert auf, entriegelte die Tür, und kurz darauf lag sie Jenna bitterlich weinend in den Armen.
»Mein Liebes«, sagte Jenna, der Tränen des Mitleids in den Augen standen. »Was kann ich nur für dich tun?«
Immer noch weinend lachte Molly auf. »Du kannst die Uhr zwölf Jahre zurückdrehen und darauf verzichten, mir Gary Lasch vorzustellen«, erwiderte sie. »Oder du kannst einfach für mich da sein.«
»Ist Philip noch nicht hier?«
»Er hat versprochen, später vorbeizukommen. Er hat einen Termin bei Gericht.«
»Molly, du mußt ihn anrufen. Cal hat einen Tip gekriegt. Sie haben an den Stiefeletten, die du am Sonntag abend anhattest, Spuren von Annamarie Scallis Blut gefunden, und auch in deinem Auto. Es tut mir so leid. Cal hat gehört, der Staatsanwalt will dich verhaften lassen.«
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N achdem Calvin Whitehall durch einen Anruf von den Blutspuren an Molly Laschs Schuhen und in ihrem
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