Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)
verbessern. »Was hast du geantwortet, als sie fragte, warum Gary dir die Teilhaberschaft angeboten hat? Wenn sie dahinterkommt … Warum hast du ihr überhaupt
einen Termin gegeben? Du hättest dir doch denken können, daß du dir damit nur schadest. Dazu braucht man kein Genie zu sein.«
Mit hochrotem Kopf knallte Cal den Hörer hin. Gleich darauf läutete das Telefon wieder, und Cals Tonfall wurde sofort merklich freundlicher, als er den Anrufer erkannte. »Ja, Herr Doktor, ich habe vor einer Minute mit Peter gesprochen … Nein, es war nichts Besonderes. Erwarten Sie eine Nachricht von ihm?«
Lou war klar, daß der Anrufer Adrian Logue sein mußte, der angebliche Augenarzt, der das Farmhaus in West Redding bewohnte. Lou verstand nicht, warum Whitehall, Black – und früher auch Gary Lasch – Logue stets mit Samthandschuhen anfaßten. Im Laufe der Jahre hatte Lou Cal hin und wieder zum Farmhaus gefahren. Cal blieb nie lange, und Lou hatte immer im Wagen gewartet.
Ein- oder zweimal hatte er Logue aus der Nähe gesehen – ein hagerer, freundlich wirkender, grauhaariger Mann von über siebzig Jahren. Als Lou seinen Chef nun betrachtete, ahnte er, daß dieser gerade etwas sehr Unerfreuliches zu hören bekam.
Es war ein schlechtes Zeichen, wenn Cal eiskalt wurde, anstatt in die Luft zu gehen. Lou beobachtete, wie sich Cals Miene verhärtete. Seine Augen wurden zu funkelnden Schlitzen und erinnerten Lou an die eines sprungbereiten Tigers.
Cals Stimme klang zwar beherrscht, doch sein Tonfall war herrisch und befehlsgewohnt. »Bei allem Respekt, Herr Doktor, aber Sie hatten nicht das Recht, Peter Black zur Weiterführung des Experiments zu zwingen. Er hätte Ihren Anweisungen niemals Folge leisten dürfen. Damit sind Sie, vor allem angesichts der momentanen Umstände, ein unverzeihliches Risiko eingegangen. Es kommt überhaupt nicht in Frage, daß Sie dabei sind, wenn die Reaktion einsetzt. Sie werden sich wie immer mit einer Videoaufnahme zufriedengeben müssen.«
Lou verstand zwar Dr. Logues Antwort nicht, hörte jedoch, daß seine Stimme lauter wurde.
Cal fiel dem Anrufer ins Wort. »Herr Doktor, ich garantiere Ihnen, daß Sie das Band noch heute abend erhalten.« Er legte auf, ohne sich zu verabschieden. Lou sah ihm an, daß er in ernstlichen Schwierigkeiten steckte.
»Soweit ich mich erinnere, habe ich dir gegenüber schon einmal angedeutet, daß Fran Simmons ein Problem für uns werden könnte«, meinte Cal. »Es ist Zeit, sich dieses Problems anzunehmen.«
62
G leich nach ihrem Besuch bei Peter Black rief Fran Philip Matthews an. Sie erreichte ihn in seiner Kanzlei und erkannte an seinem Tonfall sofort, daß ihn etwas beschäftigte.
»Wo sind Sie, Fran?« fragte er.
»In Greenwich. Ich wollte gerade nach New York zurückfahren.«
»Haben Sie Zeit, heute nachmittag gegen drei zu mir in die Kanzlei zu kommen? Ich fürchte, Mollys Lage hat sich verschlimmert.«
»Ich werde da sein.« Fran beendete das Gespräch. Sie näherte sich einer Kreuzung und bremste, da die Ampel auf Rot umsprang. Nach rechts oder nach links? fragte sie sich. Eigentlich wollte sie zur Redaktion der Greenwich Time , um ein paar Worte mit Joe Hutnik zu wechseln.
Doch etwas in ihr zwang sie, den Weg zu dem Haus einzuschlagen, in dem sie mit ihren Eltern vier Jahre lang gelebt hatte. Peter Blacks abfällige Bemerkung über ihren Vater hatte sie tief gekränkt. Allerdings war ihr klar, daß sie sich nicht persönlich verletzt fühlte, sondern eher um
ihren Vater trauerte. Sie wollte das Haus, das letzte gemeinsame Heim ihrer Familie, noch einmal sehen.
Also los, sagte sie sich. Drei Straßen weiter bog sie in eine Allee ab, die ihr sofort vertraut erschien. Sie hatten in der Mitte des Häuserblocks gewohnt, in einem Backsteinhaus im Tudorstil. Eigentlich hatte sie nur langsam vorbeifahren wollen, doch statt dessen hielt sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite an und betrachtete das Haus mit tränennassen Augen.
Es war ein schönes Anwesen, dessen Butzenscheiben im Sonnenlicht funkelten. Es hat sich kaum verändert, dachte sie und erinnerte sich an das lange, hohe Wohnzimmer mit dem hübschen Kamin aus irischem Marmor. Die Bibliothek war klein. Ihr Vater hatte immer Witze darüber gemacht, daß sie wohl nur für zehn Bücher geplant gewesen sei, aber man hatte sich dort wunderbar zurückziehen können.
Zu ihrem Erstaunen fielen ihr viele angenehme Dinge ein. Wenn Dad nur durchgehalten hätte, dachte sie. Selbst wenn er
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