Wenn Zaertlichkeit dein Herz beruehrt
die meisten Frauen. Ich habe so lange nur mit Männern zusammengearbeitet, dass ich vermutlich einige gewöhnungsbedürftige Eigenschaften entwickelt habe. So etwas wie das hier« - sie machte eine Geste, die den ganzen Baum umfasste - »habe ich in den vergangenen fünf Jahren nur selten genießen können.«
Dafür hatte meine Tochter alles, was sich ein kleines Mädchen nur wünschen konnte, dachte sie, während sie die Bürste nahm, die Abigale ihr reichte. Barbie-Puppen, Handtäschchen und hübsche Kleider. Und einen Augenblick lang durchlebte Victoria noch einmal jene schrecklichen Momente, als sie all diese Sachen zusammengepackt hatte, um sie wegzugeben. Sie hatte bei jedem Stück, das sie in die Schachteln gepackt hatte, bittere Tränen vergossen.
»Miss Victoria?«
Sie blickte auf, blinzelte ihre Tränen weg. Abigale, die gerade die Bettdecken zurückschlug, schien voller Mitgefühl zu sein und sagte nur: »Mich stört das nicht.«
Als alles fertig war, kletterte Victoria ins Bett, und sie ließ es zu, dass die Haushälterin die Decke um sie feststeckte, denn sie hatte das Gefühl, dass es Abigale ein Bedürfnis war. »Und was Weiblichkeit betrifft«, meinte Abigale, »haben Sie in letzter Zeit mal in den Spiegel geschaut?« Sie nahm Victoria die Bürste aus der Hand und stellte dann ein Tablett neben das Bett.
»Ich versuche es stets zu vermeiden«, antwortete Victoria mit vollem Mund. Als sie sich dafür entschuldigte, winkte die Haushälterin nur ab. Lächelnd beobachtete sie, wie Victoria das Tablett innerhalb kürzester Zeit leerte.
»Danke«, sagt Victoria schließlich, ein wenig verlegen. »Das war das beste Essen, das ich seit einer Ewigkeit bekommen habe.«
»Sie sehen auch nicht so aus, als würden Sie regelmäßig etwas zu essen bekommen.« Abigale nahm das Tablett weg, und Victoria zog den Morgenmantel aus und rutschte tiefer unter die Decke.
»Das ist auch gut so, denn ich kann Unmengen vertilgen.«
Abigale lächelte, als die junge Frau, die ihren Christopher in letzter Zeit so abgelenkt hatte, von einer Sekunde zur anderen einschlief. Sie war hübsch, lebhaft und stark. Ihr Lächeln verstärkte sich, als sie an den Streit der b eid en dachte. Victoria hatte ihre Stellung behauptet, sich nicht unterbuttern lassen. Sie waren b eid e ganz schön temperamentvoll, und es hatte ihr gut getan, den glücklichen Gesichtsausdruck zu sehen, den Christopher gezeigt hatte, nachdem er die junge Frau überzeugt - na ja, gezwungen - hatte, hier zu bleiben. Sie hatte noch nie erlebt, dass er wegen einer Frau alles andere vergessen hatte, aber nachdem sie Victoria kennen gelernt hatte, konnte sie den Jungen verstehen. Victoria war eine sehr ungewöhnliche Frau, so clever wie ihr Christopher, sie setzte seiner Stärke ihre eigene entgegen. Aber es wurde ja auch endlich Zeit, dachte sie zufrieden und warf noch einen letzten Blick auf Victoria, bevor sie die Tür hinter sich schloss.
Aus den Augenwinkeln bemerkte sie Chris, der im Dunkel des Flurs stand, aber sie ignorierte ihn und eilte lächelnd die Treppe hinunter.
Chris weigerte sich, das Haus zu verlassen, und es erstaunte ihn selbst, wie groß seine Angst war, Victoria könnte während seiner Abwesenheit verschwinden. Doch als Doc Jenna kam, blieb ihm nichts anderes übrig, als mit ihr zur Mine zu reiten. Jenna war entsetzt und schockiert. Und sie bestätigte das, was Chris schon vermutet hatte. Victoria hatte wieder einmal Recht gehabt - Jenna fand die winzige Wunde unterhalb von Vels Rippen, obwohl sie nur schwer zu entdecken war.
Jenna blickte von ihren Untersuchungen auf und wischte sich die Hände an ihrem Reitrock aus Leder ab. Sie zeigte auf den Leichnam. »Dies stimmt auch in den Details auffällig mit dem überein, was in dem Telegramm stand, das der Arzt aus Black Hawk mir geschickt hat.«
»Warum hast du mir nicht erzählt, was in seinen Telegrammen stand?«
Sie sah ihn ungeduldig an. »Ich habe es ja versucht, aber du warst dermaßen damit beschäftigt, eine mysteriöse Frau zu finden, dass du dich um nichts anderes gekümmert hast!« Sie schwieg einen Moment. »Ich habe zweimal nachgefragt, ob es auch wirklich stimmte, was er geschrieben hat.« Sie zog ein zerknittertes Telegramm aus ihrer Jackentasche und hielt es ihm hin. »Ich war überzeugt davon, dass ein Übermittlungsfehler vorliegen musste.« Chris überflog den Text. »Die Übereinstimmung ist zu groß, als dass man sie ignorieren könnte. Das andere Opfer war lediglich
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