Wenn Zaertlichkeit dein Herz beruehrt
Haken. »Ich schau mich noch mal um«, sagte er, während er zur Tür ging.
»Du warst den ganzen Tag draußen, hast die ganze Gegend abgesucht, Chris. Denk doch auch mal an Caesar. Er hat sich seit Jahren nicht so viel bewegen müssen.«
»Ich muss es noch einmal versuchen.« Weil ich hier drin wahnsinnig werde. Weil es mich verrückt macht, nicht zu wissen, wo sie ist. Mit jeder Minute, die verging, fühlte er sich hilfloser. Und wütender. Weil Victoria es nicht für nötig hielt, ihm alles zu erzählen, damit er sie unterstützen konnte. Und weil er ihretwegen so litt. »Ich mache nur eine letzte Runde, dann reite ich nach Hause.«
»Gut. Verschwinde und geh Abigale auf die Nerven.«
»Was hältst du da eigentlich in der Hand? Ein Telegramm?«, fragte Chris plötzlich, und Noble blickte so verdutzt auf das gelbe Papier, als hätte er es vollkommen vergessen, dann reichte er es Chris. »Du bist wahrscheinlich der Einzige, der das lesen kann.«
Chris glättete das Blatt und stieß ein unfrohes Lachen aus. Der Text war in Cheyenne geschrieben, so wie damals, als sie sich während des Krieges Nachrichten hatten zukommen lassen.
Habe nichts herausgefunden. STOP Eine V.M. gibt es hier nicht. STOP Palau auch nicht. STOP Warte noch auf weitere Informationen. STOP Kann in zwei Tagen da sein, wenn du Hilfe brauchst. STOP H. McCracken.
Es war das vierte Telegramm in dieser Art. Chris hatte sich an alte Bekannte unter anderem im Kriegsministerium und bei Pinkerton gewandt. Aber die Antworten lauteten alle gleich - und alles sprach gegen Victoria.
Noble hatte Chris aufmerksam beobachtet. »Sie ist fort«, sagte er, auch wenn es ihm schwer fiel. Der Marshal blickte seinen Freund aus schmalen Augen an. »Betrachte die Sache doch einmal ganz objektiv: Sie hat uns schon vorher an der Nase herumgeführt, uns verschiedene Namen genannt und sich hinter ihren Masken versteckt. Vielleicht ist sie sogar diejenige, die - «
Noch bevor Noble zu Ende gesprochen hatte, hatte Chris ihn schon am Kragen gepackt und dicht an sich herangezogen. »Niemals«, fuhr er auf. »Du wirst mich nicht in hundert Jahren davon überzeugen können, dass diese Frau keine Ehre und Courage hätte!«
Er liebt sie, erkannte Noble plötzlich. Doch es war eine schmerzliche, bittersüße Liebe. Und Noble fürchtete, dass es Chris und Victoria nicht vergönnt sein würde, zusammenzufinden - das bewiesen schon die Ereignisse der letzten Tage.
»Du kannst mich auch gern wieder loslassen, Marshal !«
Chris blickte seinen Freund an, schaute dann auf seine Hände und gab Noble reumütig frei. »Du lieber Himmel - es tut mir wirklich Leid, Noble«, sagte er und trat einen Schritt zurück.
Noble legte ihm eine Hand auf die Schulter und nickte. »Beantworte das Telegramm, Chris, und ruh dich dann endlich aus. Ich werde bei dir zu Hause Bescheid geben.«
Chris nickte und wandte sich zur Tür.
»Ein Bad würde dir übrigens auch nicht schaden«, fügte Noble hinzu.
Chris blickte auf seine staubbedeckte Kleidung, das grüne Hemd und die schwarze Hose, dann sah er Noble lächelnd an. Es war sein erstes Lächeln seit Tagen. »Du bist wirklich ziemlich empfindlich, was?«
»Wärst du auch, wenn du dich ertragen müsstest!«
Chris setzte seinen Hut auf und ging. Doch schon bald versank er wieder in seine düstere Stimmung, und nachdem er das Telegramm abgeschickt hatte, stieg er auf Caesars Bücken und machte seine Bunde. Doch die Deputys hatten auch diesmal nur ein Kopfschütteln als Antwort auf seine Fragen, und seine Laune sank immer tiefer. Immer wieder dachte er daran, wie oft sie ihn gewarnt hatte, sich nicht in ihre Angelegenheiten zu mischen, ihr nicht zu nahe zu kommen, sie nicht zu sehr zu begehren, zu denken, dass eine Beziehung zwischen ihnen eine Zukunft hätte. Dennoch konnte er einfach nicht glauben, dass sie ihn ohne ein Wort des Abschieds verlassen hatte. Aber sie hatte sich nicht von ihm verabschiedet - und was das vielleicht bedeuten mochte, darüber wollte er nicht nachdenken. Unsinn, sie lebt noch, versicherte er sich selbst immer wieder.
Chris ritt langsam aus der Stadt. Er saß zusammengesunken im Sattel, sein ganzer Körper schmerzte vor Müdigkeit. In Gedanken ging er noch einmal alle Möglichkeiten durch - und das Ergebnis machte ihm Angst. Er rieb seine brennenden Augen. Erschöpft, wie er war, würde er nicht mehr lange durchhalten und konnte ihr dann auch nicht helfen, falls sie doch zu ihm kam. Entschlossen lenkte er den Hengst
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