Wenn Zauberhaende mich beruehren
sieht so aus, als würde es bald regnen, und bis es soweit ist, sollten wir irgendwo Unterschlupf gefunden haben.«
Kady konnte nur nicken. Verlangen, dachte sie. Das Leben hielt doch immer wieder die verblüffendsten Wendungen parat.
Sie liefen weiter, stundenlang, wie es ihr vorkam, und mit jedem Augenblick schien sich Kady mehr zu entspannen. Dennoch fragte sie sich immer wieder, was für ein Mensch der wirkliche Tarik Jordan war. Der Mann, den sie in New York kennengelernt hatte, oder der Mann, der sie vor den Kugeln beschützt hatte und sie zum Lachen brachte?
Irgendwann machten sie eine kleine Pause bei Brot und Käse, und Kady fragte ihn, warum er sie in seinem Büro in New York nicht empfangen wollte. Es dauerte eine Weile, bis er antwortete.
»Ich befürchtete eine lange Auseinandersetzung um das Vermögen, das meine Familie geschaffen hatte. Durch meine Weigerung, Sie vor Ablauf der im Testament genannten Frist zu treffen, hätte ich mir die Klage ersparen können.«
»Und warum sind Sie bis zu diesem Termin nicht einfach untergetaucht? Selbst am letzten Tag noch? Warum ließen Sie mich in Ihrem Büro warten? Warum sind Sie nicht einfach verschwunden, als Sie von meiner Ankunft erfuhren?«
»Aus Neugier, nehme ich an. Vermutlich wollte ich sehen, wie Sie in Wirklichkeit aussehen.«
»Sie hätten mich doch auch einen Tag danach kennenIernen können«, wandte sie ungeduldig ein, fast gereizt über sein unlogisches Verhalten.
Lachend packte er die Essensreste in den Rucksack. »Das wäre eine Möglichkeit gewesen, aber ich konnte mich nicht zum Gehen überwinden. Vielleicht wollte ich sehen, wie beharrlich Sie sind. Ich nahm an, daß Sie nichts über das Testament wissen, aber ich glaubte, es gäbe noch einen anderen Grund, aus dem Sie mit mir sprechen wollten. Claire sagte, Sie wären sehr hartnäckig gewesen.«
»Ist Claire dieser Terrier von einer Empfangsdame? Wäre es mir möglich, genügend Anteile an Ihrem Unternehmen zu erwerben, damit ich auf ihre Entlassung bestehen kann? Sie hat sich wirklich abscheulich benommen. Man hätte annehmen können, Sie sei der Vorstand in einer Person ...«
Sein Blick ließ sie verstummen. »Oh, sie hat Absichten. Sie will Mistress Eigentümer werden.«
»Sie haben eine unnachahmliche Art, die Dinge beim Namen zu nennen. Fertig?«
Kady stand auf und griff nach ihrem kleinen Rucksack. »Wie viele der Frauen, die für Sie arbeiten, rechnen sich eigentlich Chancen auf Sie aus?«
»Eine oder zwei. Eifersüchtig?«
»Ungefähr so, wie Sie auf die Männer in meinem Leben.«
»Dann ist es etwas, was Ihnen Tag und Nacht keine Ruhe läßt«, erwiderte er so leise, daß Kady ihn fast nicht verstanden hätte. Aber sie verstand ihn, und obwohl sie sich sagte, daß sie ihm auf keinen Fall glauben durfte, gaben ihr seine Worte ein höchst angenehmes Gefühl.
Gegen vier Uhr begann es zu regnen, und Tarik blieb unter einem Baum stehen, um lange gelbe Umhänge aus seinem Rucksack zu ziehen. Erst hüllte er Kady von Kopf bis Fuß ein, dann zog er ihr die Kapuze über den Kopf und befestigte die Bänder unter ihrem Kinn. »Okay?« fragte er, und sie nickte.
Als er endlich seinen eigenen Umhang angezogen hatte, war er bis auf die Haut durchnäßt, aber das schien ihm absolut nichts auszumachen. Sie liefen weiter bergauf, bis er etwa eine Stunde später vor einem rankenbedeckten Felsen stehenblieb, die Ranken zur Seite schob und den Zugang zu einer Höhle enthüllte.
Die Höhle war nur klein und wegen der Dunkelheit konnte man kaum etwas sehen, aber innerhalb weniger Minuten hatte Tarik ein Feuer mit Reisig entfacht, das er in der Höhle gefunden hatte. Kady rieb sich fröstelnd die Arme und sah sich um. Fast rechnete sie damit, Höhlenzeichnungen zu sehen, erblickte aber nur nackte Sandsteinwände. An einer Wand entdeckte sie eine zusammengefallene Bank und auf ihr ein paar vermoderte Taschenbücher. Neben der Bank lag ein verrostetes Messer.
»Sie sind sehr häufig hier gewesen, oder?« fragte sie und zog den nassen Umhang aus.
Er warf einen Blick auf das Messer, lächelte und wandte sich wieder dem Feuer zu. »So oft ich konnte. Da hinten an der Wand müßte eine Holzkiste auf einem kleinen Regal stehen. Sehen Sie hinein.«
Sie tat es, und als sie darin Fotos von sich fand, überraschte sie das nicht besonders. Inzwischen schien sie nichts mehr zu schockieren oder zu überraschen. Es waren grobkörnige, mit einem Teleobjektiv aufgenommene Bilder, die sie als Kind
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