Wenn Zauberhaende mich beruehren
irgendwo ein Bus? Gibt es in der Nähe vielleicht einen Flughafen?« Wie sie Fahrt oder Flug bezahlen wollte, wußte sie zwar nicht, da sie keinen Cent bei sich hatte, aber der konsternierte Ausdruck auf dem Gesicht des Mannes überraschte sie merkwürdigerweise nicht.
»Was ist ein Flughafen?« fragte er, und aus irgendeinem Grund verursachte diese Frage wieder ein benommenes Schwindelgefühl in Kady.
»Nein, rühren Sie mich nicht an«, sagte sie, als er einen Schritt auf sie zu machte. Sie mußte die Situation in den Griff bekommen. »Hören Sie, ich weiß Ihre altmodische Ritterlichkeit wirklich zu schätzen, und ich danke Ihnen dafür, daß ich mich an Ihrer Schulter ausweinen durfte, aber jetzt muß ich wirklich nach Hause.« Ich darf mich hier auf absolut nichts einlassen, dachte sie. Und auch nicht zu ergründen versuchen, warum du nicht weißt, was ein Flughafen ist.
Mit aller Würde, zu der sie fähig war, raffte sie die Schleppe, legte sie über den Arm und lief auf die Felswände zu, in denen sich irgendwo die Spalte befand, durch die sie nach Virginia gelangen konnte - und zu Gregory.
5. Kapitel
Diesmal folgte er ihr nicht, und Kady war sich keineswegs sicher, ob sie das mit Genugtuung erfüllte oder mit Angst. Und wenn sie die Öffnung in der Felswand nun nicht entdeckte? Wenn sie dieser Cowboy in den Bergen alleinließ und sie nicht nach Hause fand?
Warum ich? fragte sie sich verzweifelt. Warum mußten ausgerechnet ihr diese übernatürlichen Dinge zustoßen? Sie war ein absolut durchschnittlicher Mensch und hatte oder bekam alles, was sie sich wünschte: Freude an ihrem Beruf, die Heirat mit Gregory und vielleicht ein Kind oder auch zwei.
Da dieser Cowboy offenbar doch der Mann vom dem Foto war, schien es offensichtlich, daß sie ihn vor dem Tod retten sollte. Aber inzwischen war das längst geschehen. Warum konnte sie nicht unverzüglich nach Virginia und zu Gregory zurückkehren?
Sie lief den Pfad höher und höher hinauf, machte sich aber schon bald bewußt, daß sie keine Ahnung hatte, wo sich die Felszeichnungen befanden. Als sie den Berg hinuntergeeilt war, hatte sie sich benommen und schwindlig gefühlt. Jetzt ging es ihr nicht viel besser, da sie seit vielen Stunden nichts gegessen hatte.
»Röstkartoffeln«, sagte Kady laut vor sich hin. »Gebutterter Mais, Wachteln am Spieß. Zartgebratenes Roastbeef und schottischer Lachs. Erdbeertörtchen. Schokoladentrüffel.«
Die Vorstellung eines schmackhaften Essens half nicht viel, ganz im Gegenteil. Verzweifelt und erschöpft quälte sie sich weiter den Weg entlang, der sich verwirrend oft zu gabeln schien. Ihr Kleid verfing sich an
Zweigen und Ästen, und sie nahm sich die Zeit, den Stoff sorgfältig und ohne Schäden wieder zu lösen, da sie immer noch hoffte, es zu ihrer Hochzeit mit Gregory zu tragen. Auch als ein Akt des Trotzes, nachdem sie seine Anprobe dorthin gebracht hatte, wohin sie nicht wollte.
Kady wußte nicht mehr, wie lange sie schon gelaufen war, aber mit jedem weiteren Schritt wurde sie ein wenig hoffnungsloser. Sie würde die Tür nach Hause nie finden. Sie würde verhungern, erfrieren oder von dem unbekannten Tier gefressen werden, dessen Schrei sie gerade gehört hatte. Vielleicht würden auch die Männer zurückkehren, die den Cowboy aufknüpfen wollten, und ...
Kady setzte sich auf einen Felsbrocken und kam sich unendlich allein und verlassen vor. Vielleicht war das ihre Strafe für ihr bisher so glückliches Leben. Für dreißig Jahre, in denen es ihr an nichts gefehlt hatte; sie ihr eine sonnige Kindheit, einen Traumberuf und einen wunderbaren Mann beschert hatten, der sie behandelte wie eine Prinzessin.
Unvermittelt sprang sie wieder auf und hieb mit den Fäusten wütend gegen die Felsen. »Nein, nein, nein!« schrie sie. »Ich werde nicht aufgeben. Hört ihr? Nie im Leben! Ich gebe nicht auf!«
Natürlich hörte sie niemand, und nach wenigen Minuten sank sie wieder auf ihren Stein, schlug die Hände vor das Gesicht und begann zu schluchzen. Sie lehnte sich zurück und schloß die Augen. Vielleicht, wenn sie sich genügend konzentrierte, wenn sie sich mit aller Macht in ihr Apartment zurückwünschte, in Gregorys Arme. Vielleicht würde sie dann ...
Ganz langsam erwachte Kady. Vor Hunger. Roch sie da etwa gebratenes Fleisch? Mit geschlossenen Augen lächelte sie vor sich hin. Hühnchen? Nein, natürlich nicht. Das war einwandfrei der Geruch von Kaninchen. In Wein gedünstet oder im Teigmantel geschmort, mit
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