Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer aaahh sagt...

Wer aaahh sagt...

Titel: Wer aaahh sagt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
Vom Netzwerk:
Cottage.
    »Was für eine vulgäre Person diese Mrs. Styles sein muß«, murmelte Mrs. Hitchey-Powell, als ich ihr atemlos die ganze Geschichte erzählte. »So unverschämt geldgierig zu sein! Unsere Generation sollte wirklich versuchen, ein bißchen Würde zu bewahren, wo doch heutzutage jedem applaudiert wird, der sich so benimmt, wie es ihm gerade Spaß macht.«
    Ich drängte sie: »Aber zehntausend Pfund, Mrs. Hitchey-Powell! Es ist vielleicht nicht mehr so viel wert wie zu jener Zeit, als sie die Nächte bei Romano’s durchtanzten, aber sie könnten sich damit ein paar neue Kleider kaufen.«
    Schweigen breitete sich aus. Langsam faltete sie ihre kleinen Hände im Schoß.
    »Es ist wirklich liebenswürdig von Ihnen, Doktor. Ich weiß, wie Ihnen mein Wohlergehen am Herzen liegt. Aber es hätte keinen Unterschied gemacht, wenn ich am Fest teilgenommen hätte. Sehen Sie«, gestand sie, »ich bin erst hundert. Eine Dame darf doch ihr wahres Alter verschweigen, nicht wahr?«
    »Natürlich«, versicherte ich verwirrt. »Obwohl sie sich meistens nicht gerade älter macht.«
    Sie spitzte die Lippen.
    »Sie haben die kleine Sara vergessen«, erklärte sie ruhig. »Es würde sie kränken, wenn jeder wüßte, daß ich sie bekommen habe, als ich erst sechzehn war. Was sehr, sehr schlimm ist, finden Sie nicht? Jedenfalls heutzutage, wie ich höre. Aber vielleicht waren wir nicht so streng, als wir tanzten, wo Gardenien noch nie geblüht haben.« Sie flüsterte mit einem Seufzer: »Romano’s, oh wie schön war es bei Romano’s.«
    Ich schluckte. Ich hatte das Gefühl, daß der Marathon am nächsten Tag stark abfallen würde gegen dies hier.
    Der Startschuß wurde von einem berühmten Komiker abgefeuert und war über die Grenzen unserer Gemeinde hinaus zu hören. Gestartet wurde am späten Nachmittag, wodurch den Läufern Zeit gegeben wurde, ein gemütliches Sonntagsessen zu sich zu nehmen. Es war ein warmer, klarer Tag; leichter Wind wehte, so erfrischend wie eisgekühlter Rheinwein. Ich nahm in der Foxglove Lane am Geschehen teil - vor dem Fernseher sitzend.
    Wenn ich mir das Hauptfeld in seinen Sportdressen so ansah, kam mir dagegen das Grand National wie ein Wettrennen zwischen zwei Pferden vor. Während die Teilnehmer fröhlich rauchten und tranken, Gratiszigaretten und Plastikbecher mit Alkohol vor die Kamera hielten, keuchten sie über die hübschen Wege zwischen den Bäumen mit grünem Obst, den üppigen Feldern, dem reifen Getreide und den mächtigen Eichen, durch die sonnige Landschaft der Downs.
    An diesem Wochenende hatte ich Bereitschaftsdienst. Ich wurde kurz zu einem Verdacht auf Blinddarmentzündung gerufen (falscher Alarm). Als ich über den Marktplatz nach Hause fuhr, hielt ich an, um Doktor Lonelyhearts früherer Einladung ins Sektzelt nachzukommen. Er löste sich aus einer Gruppe von Sticks-Managern und sah mich nervös an.
    »Das ist ja ein großartiger Erfolg«, gratulierte ich ihm. »Läuft alles wie geplant?«
    Er runzelte ärgerlich die Stirn. »Willst du mich auf den Arm nehmen?«
    »Am Start sahen alle so glücklich drein, als hätten sie das Rennen schon gewonnen«, bemerkte ich.
    »Wir hatten schon fünf Herzinfarkte und sind noch nicht einmal hinter Leatherhead.«
    Ich drückte meine Besorgnis aus.
    »Gott weiß, warum einige dieser Leute sich überhaupt gemeldet haben. Es ist schließlich doch ein sportliches Ereignis.« Seine Einsicht kam etwas spät. »Ich glaube, bei vielen bestand die gesamte sportliche Aktivität in ihrem Leben darin, die Hand zum Mund zu heben.«
    Er legte das Funkgerät ans Ohr.
    »Um Gottes willen! Das Reigate-Krankenhaus hat keine Betten mehr frei, und das Redhill kann keine neuen Fälle von Alkoholvergiftung mehr aufnehmen.«
    Ich verließ ihn, einen von Sorge gequälten General, der mit einer Welle von unerwarteten Verlusten fertig werden muß.
    Am frühen Abend wurde ich zu einem Kind mit Erstickungsanfällen gerufen (es hatte einen Wutanfall). Wieder hielt ich am Marktplatz an.
    Doktor Lonelyhearts umkreiste in hektischer Verzweiflung die Fernsehkameras. »Das Rote Kreuz hat ein Notlager in Oxted eingerichtet«, erzählte er mir bestürzt. »Das Gesundheitsministerium schickt einen Krankenwagen. In jedem Krankenhaus in Südostengland herrscht Katastrophenalarm, wenn nicht sogar eine Zivilschutzwarnung wie bei einem bevorstehenden Atomkrieg.«
    Ich drückte mein Mitgefühl aus.
    »Darüber hinaus gibt es Massenverhaftungen wegen Trunkenheit und ordnungswidrigen

Weitere Kostenlose Bücher