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Wer anders liebt (German Edition)

Wer anders liebt (German Edition)

Titel: Wer anders liebt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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etwas zu sehen. Das tun wir zwar alle, wir achten nur nicht weiter darauf. Aber dass er das mit dem Ekzem gewusst hat. Dass das möglich ist.«
    »Wenn Andor also recht hat«, sagte Skarre, »dann hält Edwin sich vielleicht in Schweden auf. Oder der Mörder kommt aus Hasselbäck, oder Edwin ist nach Hasselbäck gebracht worden, tot oder lebendig.«
    Sejer betrachtete ein weiter draußen liegendes Inselchen.
    »Woran denkst du?«, fragte Skarre.
    »Ich denke an Tulla Åsalid«, sagte Sejer. »Ich habe mit ihren Eltern gesprochen, und die machen sich Sorgen. Sie sagen, dass Tulla sich verändert hat, seit sie Brenner kennt. Dass Edwin an zweiter Stelle kommt. Dass sie sie niemals so verdreht erlebt haben.«
    »Verdreht?«
    »So haben sie sich ausgedrückt. Und es ist ja schön, wenn Menschen einander lieben, aber die größte Liebe ist doch trotz allem für die Kinder reserviert. Für sie sollen wir in den Tod gehen. Ist es nicht so?«
    »Es ist schon vorgekommen, dass Mütter ihre Kinder umgebracht haben, um einen Mann zu gewinnen«, sagte Skarre. »Erinnerst du dich an diese Geschichte aus den USA? Eine Mutter von drei Kindern hat sich heftig in einen Mann verliebt, aber der hatte keine große Lust, sich drei Kinder an den Hals zu hängen. Also hat sie sie ins Auto gesetzt und in den See fahren lassen.«
    »Bei Edwins Verschwinden geht es sicher um etwas anderes«, sagte Sejer.
    »Aber vielleicht ist Brenner so einer«, gab Skarre zu bedenken.
    »Was für einer?«
    »Einer, der sich an Tulla herangemacht hat, dessen Begeisterung für Edwin sich aber in Grenzen hält.«
    Er machte einige Schritte, blieb stehen, hob eine Hand, um seine Augen zu beschatten.
    »Apropos Liebe«, sagte Sejer. »Sieh dir das Inselchen da draußen an. Es heißt Majaholmen. Und es erinnert mich an ein anderes Inselchen, bei Hvaler, Gunillaholmen. Es besteht aus zweitausend Quadratmetern Steinen und einigen vom Wind gebeutelten Kiefern. Und mit diesem Inselchen verbindet sich eine alte grauenhafte Geschichte.«
    »Dann erzähl«, sagte Skarre.
    »Bei Gunillaholmen ist der Fjord voller Untiefen. Es ist eine tückische Insel, und ihr Name steht nicht auf der Karte, sie hat ihn von Gunnhild Taraldstochter. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts gebar diese in aller Heimlichkeit ein Kind, du verstehst, draußen auf dem Feld. Sie hat es umgebracht, natürlich, aus Verzweiflung, als sie an die Schande dachte, und an die Strafe, die ein uneheliches Kind mit sich brachte. Du weißt doch, wie das damals war.«
    Skarre nickte.
    »Aber der Körper des Kindes wurde nach kurzer Zeit gefunden, und er war schon halb von Schweinen gefressen«, erzählte Sejer weiter. »Und diese arme Kätnertochter, die ins Unglück geraten war, gestand sofort und wurde verhaftet. Die Richter kamen zum einstimmigen Urteil, dass ihr Leben verwirkt sei, und ihr Kopf solle auf eine Stange gespießt werden, zur Abschreckung und Warnung. Die Stange wurde auf die Insel gesetzt und stand fünfzig Jahre da. Es dauerte aber nur zwei Wochen, da hatten die Möwen den Kopf in Stücke gehackt.«
    »Was war mit dem Kindsvater?«, wollte Skarre wissen.
    »Der hieß Jon Mickelsen«, sagte Sejer. »Und kam mit einer Geldbuße davon.«
    Beide schwiegen eine Weile.
    »Ich war immer der Meinung, dass Kriminalität der Not entspringt«, sagte Sejer. »Die Umstände im 17. und 18. Jahrhundert führten zu vielen Kindstötungen, jetzt kommt so etwas viel seltener vor, die Zeiten sind besser für alleinerziehende Mütter. Aber wir haben noch nie so gut gelebt wie jetzt, und doch ist die Zahl der Straftaten explodiert.«
    »Es gibt viele Formen von Not«, sagte Skarre.
    »Ja«, sagte Sejer. »Da hast du wohl recht. Und ich denke manchmal an unseren Täter, daran, dass er so einer ist, der am Rand steht und das Leben aus der Entfernung betrachtet. Als Fest, zu dem er nicht eingeladen ist.«
    Dann fiel ihm Edwin ein.
    »Wie viel weißt du noch aus dem Jahr, in dem du zehn geworden bist?«, fragte er.
    »Viel«, sagte Skarre. »Ich war in der vierten Klasse. Ich sang im Chor und war in eine gewisse Else verliebt. Wir hatten einen fiesen Lehrer von der arroganten Sorte, er hieß Lundegård. Für Dummheit habe ich nichts übrig, sagte er, wenn wir eine Klassenarbeit versiebten. Er sprach viel über den dritten Weltkrieg, auf den sollten wir uns vorbereiten. Seid auf keinen Fall naiv, sagte er, wenn der kommt. Immer, wenn ich ein Flugzeug hörte, setzte mein Herz aus.«
    Skarre schlug mit der Hand auf den

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