Wer anders liebt (German Edition)
Brein war kein schöner Mann, die Natur hatte ihm nicht viel geschenkt. Er hatte ein mageres Gesicht mit hohlen Wangen und schmalen, farblosen Lippen. Man konnte sehen, dass er sich seiner Mängel bewusst war, sein Blick wich aus und manchmal sah er nur noch beleidigt aus.
»Mir ist etwas zu essen versprochen worden«, sagte er als Erstes.
Sejer musste einfach an einen bettelnden, streunenden Hund denken.
»Ach?«, fragte er. »Ihnen ist etwas zu essen versprochen worden? Dafür werden wir sorgen. Später.«
Er schaute Brein fragend an.
»Sie haben in letzter Zeit wenig gegessen?«
Brein schaute wütend zurück. »Ich finde, Sie schulden mir eine Erklärung.« Er versuchte, energisch zu klingen, aber in seiner Stimme lag nicht viel Kraft. Sejer machte sich an einem Papierstapel auf seinem Tisch zu schaffen, er schaute auf die Uhr, las einige Sätze auf einem Blatt Papier.
»Warum haben Sie so wenig gegessen?«
»Wie viel ich esse, ist ja wohl meine Sache«, sagte Brein.
Er warf den Kopf in den Nacken, eine immer wiederkehrende nervöse Bewegung.
»Von mir aus«, sagte Sejer. »Ich wollte nur aufmerksam sein. Sie hatten vielleicht Probleme?«
»Ich lebe mit starken Schmerzen«, sagte Brein, »und das schon seit vielen Jahren. Es gibt Tage, an denen ich nur auf dem Sofa liege und jammere. Aber jetzt müssen Sie mir erklären, warum ich hier sitze«, fügte er hinzu, »das sind Sie mir auf jeden Fall schuldig.«
»Ich bin Ihnen überhaupt nichts schuldig«, sagte Sejer. »Bisher noch nicht. Aber wenn ich einen Fehler gemacht habe, werde ich um Entschuldigung bitten. Bis jetzt habe ich aber noch keinen Fehler begangen.«
Dann, mit freundlicher Stimme: »Haben Sie Jonas August gekannt?«
Brein wich sofort zurück. Er hatte das nicht tun wollen, er wusste, dass er stark sein musste, um sich zu retten, aber jetzt klang der Name in seinen Ohren wie eine Glocke, und er fuhr zusammen. Das Zimmer, in dem sie saßen, war weiß und kahl, ohne Fenster. Der Tisch zwischen ihnen war mit den Jahren gelb geworden und der Lack blätterte ab. Die Möbel hatten etwas Ärmliches, sie wirkten wie etwas, das in aller Eile in einem Lager zusammengeklaubt worden war. Unter der Decke hing eine Neonröhre, die ihr grelles Licht auf den Steinboden warf, eine Kamera hing oben in der Ecke. Die Linse folgte ihm wie ein böses, Unheil verkündendes Auge. Sejer wiederholte seine Frage.
»Haben Sie Jonas August gekannt?«
»Ich finde, Sie sollten mir erklären, warum ich hier bin«, wiederholte Brein.
»Sie können nicht verstehen, warum Sie festgenommen worden sind?«
»Nein. Ich meine, also echt. Ihr könnt doch nicht einfach ohne Vorwarnung Leute abholen und sie in eine Zelle stecken«, klagte er.
»Doch«, sagte Sejer. »Das können wir, und ich komme gern direkt zur Sache. Wir wollen keine Zeit vergeuden, Sie haben schließlich Hunger. Hier geht es um Jonas August Løwe. Er wurde am 4. September oben im Linde-Wald gefunden. Die Gerichtsmedizin hat festgestellt, dass er Gewalt ausgesetzt wurde, die dann zu seinem Tod geführt hat, und wir haben sichere Beweise dafür, dass Sie etwas mit diesem Verbrechen zu tun haben. Haben Sie ihn gekannt?«
Brein schüttelte ungläubig den Kopf. Er konnte die Situation noch immer nicht fassen, Sejers Sicherheit machte ihm Angst, Sejers Ruhe und Überlegenheit waren bedrohlich.
»Sichere Beweise?«, stammelte er. »Nein, darauf fall ich nicht rein.«
»DNA«, erklärte Sejer.
Brein durchwühlte fieberhaft seine Erinnerungen, aber er konnte den Zusammenhang nicht entdecken.
»Ich habe keinen Test gemacht«, sagte er. »Sie lügen und wollen mich in die Falle locken.«
»Sie sitzen schon in der Falle. Und wenn Sie Ihre Version der Ereignisse erzählen wollen, dann sollten Sie diese Gelegenheit hier nutzen und zeigen, dass Sie diese Chance verdienen. Jonas August hatte keine.«
Wieder schüttelte Brein den Kopf.
»Das ist doch eine Verschwörung!«
»Nein«, sagte Sejer. »Es ist ganz einfach.«
Er machte einen neuen Versuch. »Haben Sie ihn gekannt?«
»Ich habe die Jungen nicht umgebracht«, sagte Brein.
»Das habe ich auch nicht behauptet.«
»Aber das glaubt ihr doch. Ihr glaubt, dass ich Jonas und Edwin umgebracht habe, aber das habe ich nicht.«
»Wir werden dafür sorgen, dass alles richtig dargestellt wird«, sagte Sejer, »aber Sie müssen uns helfen.«
»Na gut. Aber dann müssen Sie glauben, was ich sage, denn es ist die Wahrheit. Ich habe Jonas nicht gekannt«, sagte
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