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Wer anders liebt (German Edition)

Wer anders liebt (German Edition)

Titel: Wer anders liebt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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einer tiefen Angst erfüllt. Dass er sich losreißen und aus dem Haus stürzen könnte. In diesem Moment hatte ich vor nichts auf der Welt größere Angst als davor. Und obwohl ich ihm nichts antun wollte, verlor ich die Beherrschung. Ich hatte sicher ein bisschen ein schlechtes Gewissen, aber das verdrängte ich dann, ich dachte doch, in einer Minute würde alles überstanden sein, und ich würde mich danach um ihn kümmern und ihn nach Hause fahren, wissen Sie, mich auf jede erdenkliche Art um ihn kümmern.
    Also drückte ich ihn auf das Sofa und riss ihm die Hose herunter. Dabei hörte ich, dass etwas klirrend auf den Boden fiel, aber ich wusste nicht, was das sein konnte. Ich holte mir, was ich haben wollte. Ich holte es mir einfach. Als ich wieder zu mir kam und alles vorüber war, passierte etwas.«
    »Was passierte, Brein?«
    Brein rieb sich die Augen mit den Fingerknöcheln, als er aufschaute, waren seine Augen rot und wund.
    »Er rang nach Atem«, flüsterte er. »Während ich ihn noch ansah, bekam er keine Luft mehr.«
    »Und was haben Sie gemacht?«
    »Nichts. Ich bin in Panik geraten.«
    »Erzählen Sie weiter, Brein«, sagte Sejer.
    »Er kratzte auf dem Sofa herum«, sagte Brein, »als ob er etwas suchte.«
    »Jonas August bekam keine Luft mehr«, sagte Sejer, »und Sie saßen stocksteif da und sahen zu. Wie lange hat es gedauert, bis er das Bewusstsein verloren hat?«
    »Nicht sehr lange. Ich hörte, dass etwas nicht stimmte, er atmete auf eine irgendwie zischende Weise. Und dann rutschte er vom Sofa und kroch auf dem Boden herum, und ich war total verstört, weil ich nicht begreifen konnte, was da los war. Dann sank er in sich zusammen und blieb ganz still liegen. Ich stürzte in eine Ecke. Ich wusste mir einfach keinen Rat.«
    »Was hat er denn gesucht, Brein? Was war aus seiner Hose gefallen?«
    »Ein Inhalator«, flüsterte Brein. »Ich habe ihn unter dem Sofa gefunden.«
    »Jonas August hatte Asthma.«
    »Das habe ich inzwischen verstanden. Aber Sie wissen schon.«
    Er machte ein verzweifeltes Gesicht. »Es ist zu spät.«
    Sejer wanderte im Zimmer umher, die ganze Zeit den Blick auf Brein gerichtet.
    »Jonas August ist Ihnen unter den Händen gestorben«, sagte er. »Und das, was ihn hätte retten können, lag unter Ihrem Sofa?«
    »Ja.«
    »Sie haben ganz still gesessen und zugesehen, wie er keine Luft mehr bekam?«
    »Ja.«
    »Sie sind nicht auf die Idee gekommen, den Notarzt zu holen oder aus dem Haus zu stürzen, um Hilfe zu holen? Das müssen Sie mir erklären.«
    »Das kann ich nicht erklären. Ich war ganz kalt. Wie wird die Anklage aussehen?«, fragte er. »Können Sie dazu etwas sagen? Sie wird doch nicht auf Mord lauten, oder? Können Sie etwas über das Strafmaß sagen?«
    »Sind Sie nie auf die Idee gekommen, dass Sie ihn retten müssten?«
    »Da kann mir kein Vorwurf gemacht werden«, sagte Brein, »ich war doch in Panik geraten.«
    Sejer war plötzlich müde. Er ließ sich wieder auf den Stuhl sinken und schloss die Augen.
    »Die Anklage steht noch nicht fest«, sagte er. »Sie werden informiert.«
    Brein sah ihn hoffnungsvoll an.
    »Mir ist etwas zu essen versprochen worden.«
    »Das werden Sie auch bekommen«, sagte Sejer. »Aber bitten Sie mich nicht um Trost«, fügte er hinzu. »Sprechen Sie mit Ihrem Verteidiger. Der ist schon unterwegs.«
    Jetzt stand Brein auf. Er stellte sich an die Wand, sein Blick war trotzig.
    »Sie könnten ja vielleicht auch Trost gebrauchen«, sagte er.
    Sejer sah ihn verständnislos an.
    »Denn Sie haben ja erst den halben Weg hinter sich gebracht, und ich glaube, das wissen Sie. Diesen Edwin Åsalid, den hab ich nicht angefasst.«
    43
     
    Wie durch Zauberhand wurde Brein zu einem anderen.
    Verschwunden waren Verbitterung und Entschuldigungen, verschwunden war der ausweichende Blick. Er schlug die Arme übereinander, er starrte Sejer in die Augen. »Ich habe Edwin Åsalid niemals angefasst. Ich weiß natürlich sehr gut, wer er war, denn wir sind uns wohl einig, dass er auffiel. Ich habe ihn oft auf der Straße gesehen, den Armen, wenn er sich mit seinen vielen Kilos dahinschleppte. Aber wir können bis heute Abend oder von mir aus auch bis zum Frühling hier sitzen bleiben, ich werde mir die Sache nicht anders überlegen, Sie müssen anderswo suchen. Und natürlich ist er in ein Auto eingestiegen, aber mein Auto war das nicht.«
    »Brein ist völlig unzugänglich«, sagte Sejer später, »aber ich neige dazu, ihm zu glauben.«
    »Dann haben wir zwei

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