Wer bin ich ohne dich
waren. Im Nachhinein sehen sie einen Zusammenhang mit ihrer Erkrankung, doch als sie mitten in der Depression steckten, konnten sie nicht erkennen, was diese frühen Erfahrungen mit ihrer gegenwärtigen Situation zu tun haben könnten.
Über extreme Erfahrungen in der Kindheit berichtete eine weitere Frau: »Ich bin sehr unsicher und ängstlich. Ich habe permanent Angst … vor Messern. Mein Vater hat einen Suizidversuch unternommen. Er lag auf der Wohnzimmercouch und drohte, sich mit einem Messer umzubringen. Ich bin in einer schlimmen Situation aufgewachsen als Kind, und ich habe oft schon daran gedacht, mich selbst zu töten.«
Nachdem sie ihre Depression überwunden hatte, sah eine befragte Frau einen Zusammenhang zwischen ihrer Mutter und ihrem Ehemann: »Mein Mann ist wie meine Mutter. Meine Mutter hatte feste Ansichten und sonderbare Regeln.« Diese mütterliche Strenge habe bei ihr dazu geführt, dass sie leicht zu manipulieren sei. »Wenn ich eine Meinung habe, kann ich sie schnell ändern, weil ich Angst vor Streit habe. Dann gebe ich auf.«
Konfliktreiche Beziehungen
Die interviewten Frauen schilderten ihre Ehen und Partnerschaften, aber auch ihre Beziehungen am Arbeitsplatz als belastet. Sie erlebten diese als Stress, als ständige Herausforderung und als etwas, das ihr Selbstwertgefühl schmälerte. Die Beziehungen waren ein ständiger Quell der Sorge, ihre Gedanken kreisten ständig darum. So meinte eine der Interviewten: »Mein Hauptgefühl ist | 77 | das Gefühl der Ohnmacht und der Hilflosigkeit. Ich habe im Grunde nichts zu sagen, nichts zu bestimmen, meine Gefühle und Bedürfnisse zählen nicht. Mein Mann ist nur friedlich, wenn ich alles tue, was er will, dann kann er allerdings auch mal sehr nett sein. Aber wehe, ich bin anderer Meinung, oder er möchte etwas anderes.«
Eine andere Frau meinte: »Ich habe das Gefühl, seit Jahren, ich bin der allerunwichtigste Mensch, alle anderen Menschen sind wichtiger. Ich komme immer zum Schluss. Egal wo, in der Familie, bei den Freunden, am Arbeitsplatz.«
Einige Frauen lebten in Scheidung oder hatten bereits eine Scheidung hinter sich; eine Frau versuchte seit längerem, sich aus einer unglücklichen Beziehung zu befreien, schaffte es aber bislang nicht: »Ich bin dabei, mich scheiden zu lassen, aber es kostet mich alle meine Kraft. Bislang kann ich es nicht tun, ich bin nicht in der Lage dazu.«
Andere Frauen berichten über die Untreue des Partners: »Es ist ein schrecklicher Schock aus einem Tagtraum aufzuwachen und zu erkennen, dass mein Ehemann eine andere Frau hat, eine Arbeitskollegin. Ich bin so verbittert und wütend. Ich könnte ihn umbringen.« Und eine andere, ebenfalls betrogene Ehefrau meinte: »Ich fühle mich betrogen. Ich habe für die Familie gesorgt. Er arbeitete. Aber heute weiß ich, dass er nicht nur gearbeitet hat. Er war bei einer anderen Frau. Ich packte ihm die Koffer und bügelte seine Hemden. Ich war eine Dienerin.«
Zwei der befragten Frauen erlebten physische Gewalt und lebten in ständiger Angst vor dem Ehemann. »Am Anfang war es Liebe. Nun sind wir seit neun Jahren zusammen. Er ist sehr dominant, und er schlägt mich. Und meine Söhne sind nicht glücklich, wenn sie mich mit den blauen Flecken sehen. Er ist ihr Stiefvater, und ich muss mich zweiteilen. Ich kann diesen Mann nicht verlassen, und meine Söhne bemühen sich so um mich.« | 78 |
Zwei Frauen berichten, dass ihr Partner zu viel Alkohol trinke und sie deshalb in finanzielle Nöte geraten seien, wieder andere erzählten von mangelnder Unterstützung durch den Partner. »Ich wollte noch ein Kind, und er sagte, wenn du das willst, musst du ganz alleine dafür sorgen. Und das traute ich mir nicht zu. Ich war lange Zeit sehr traurig darüber, dass ich kein weiteres Kind haben sollte.«
Probleme am Arbeitsplatz
Konflikte mit anderen Menschen bezogen sich jedoch nicht nur auf Partnerschaft und Familie. Die ehemals depressiven Frauen sprachen auch von Schwierigkeiten am Arbeitsplatz oder im Studium. Einige Frauen hatten nach langer Berufstätigkeit ihren Arbeitsplatz verloren und litten sehr unter der Angst, keinen passenden Job mehr zu finden.
Warum Arbeitslosigkeit ein hohes Risiko für die Depression darstellt, erklären Psychologen mit dem Kontrollverlust, den eine arbeitslose Person erlebt. Sie fühlt sich hilf- und machtlos, ist den Entscheidungen anderer ausgeliefert und verliert eine wichtige Quelle der Anerkennung und Selbstbestätigung. Andere Probleme
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