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Wer bin ich ohne dich

Wer bin ich ohne dich

Titel: Wer bin ich ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Nuber
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emotional nicht zugänglich. Sie hoffen, dass die Frauen durch ihre Nähe und ihr Verständnis sie unterstützen, aber sie würden nie zugeben, dass sie diese Nähe und dieses Verständnis brauchen. Männer suchen nicht unbedingt die Einsamkeit, erklärt die Familientherapeutin Olga Silverstein, aber sie glauben, dass sie sich auf keinen Fall abhängig zeigen dürfen.
    »Männer hören ihr Leben lang nicht auf, sich vor den Frauen zu verschanzen«, meinen Betcher und Pollack und nehmen dem weiblichen Geschlecht damit die Hoffnung auf grundlegende Veränderung. »Es ist die einzige Methode, die sie kennen, um sich ihrer Identität (›nicht weiblich‹) zu vergewissern und sich davor zu schützen, jemals wieder verlassen zu werden.« Dennoch, so stellen auch diese Autoren fest, haben auch Männer ein großes Bedürfnis nach Intimität. Weil sie dieses aber nicht offen zeigen können, sind sie emotional oft reserviert oder demonstrieren ihre Unabhängigkeit dadurch, dass sie die Frau immer | 162 | wieder verlassen: indem sie sich in ihre Arbeit stürzen, exzessiv einem Hobby frönen oder ihrer Partnerin untreu sind. Betcher und Pollack stellen ernüchternd fest: »Frauen stehen vor einer ziemlichen Herausforderung, wenn sie versuchen, eine intime Beziehung zu einem Mann zu haben. Sie laufen ständig Gefahr, den Stolperdraht zu berühren, der die Ängste des Mannes über den Verlust seiner Autarkie auslöst.« Wie Olga Silverstein meinen auch diese Autoren, dass die Unabhängigkeit des Mannes eine Illusion ist, »aber eine Illusion, die er sich nicht nehmen lassen wird«.
    In diesem Bemühen des Mannes, sich nicht bedürftig zu zeigen, sich einem weiblichen Wesen nicht allzu sehr anzunähern, liegt wohl auch der wesentliche Grund, warum sich depressive Frauen häufig in ihren Beziehungen einsam fühlen. Aus Studien weiß man, dass Frauen, die zu Depressionen neigen, ihre Partner häufig als kalt, distanziert, unemotional charakterisieren und ihnen mangelndes Einfühlungsvermögen vorwerfen. Männer können die emotionalen Bedürfnisse ihrer Frauen offenbar nicht befriedigen, weil sie schon früh als Jungen gelernt haben, sich vor weiblicher Emotion zu schützen. Typischerweise fühlen sich Männer unwohl, wenn die Nähe zu nah wird oder sie fürchten, dass Nähe eingefordert werden könnte.
    So schwingt sich der Ehemann einer an Depression erkrankten Frau regelmäßig auf sein Rennrad, sobald er spürt, dass sich ihr seelischer Zustand verschlechtert. Gerade dann, wenn sie seine Nähe und Zuwendung am meisten braucht, entzieht er sich. »Er reagiert wie ein Seismograf«, berichtet die 38-Jährige. »Ich muss gar nichts sagen, er sieht es mir wohl an, wenn ich mal wieder ins schwarze Loch rutsche.« Statt an ihrer Seite zu bleiben, »radelt er stundenlang durch die Gegend, kommt erschöpft nach Hause und will dann natürlich sich von seiner anstrengenden Tour erholen«. | 163 |
    »Die Einsamkeit von Frauen in Beziehungen ist weit verbreitet«, schreibt Olga Silverstein. Sie beklagen die emotionale Unerreichbarkeit ihrer Männer, während diese umgekehrt unter der »Nörgelei« ihrer Partnerin leiden und häufig das Gefühl haben, emotional erpresst zu werden. Wie Silverstein meint, sind »viele Männer ärgerlich auf ihre Mütter und übertragen diesen Ärger auf ihre Frauen. Hatte ein Mann einen strengen, missbrauchenden Vater, dann war er ärgerlich, dass seine Mutter ihn nicht beschützt hat. Wenn sie ihn schützte, war er ärgerlich, dass sie zu überbehütend war. Entweder war sie nicht da oder sie war zu sehr da«. Männer, so die Familientherapeutin, bekämpfen oft ihr Leben lang den Schmerz, nicht die Mutter gehabt zu haben, die sie gebraucht hätten. Indem sie schon früh den Kontakt zur Mutter verlieren, verlieren sie auch einen wichtigen Zugang zu ihrer Emotionalität.
    Männer sind Spezialisten für Selbstständigkeit, Frauen sind Spezialistinnen für Beziehungen, meinen die Psychologen William Betcher und William Pollack. Trotz dieser extremen Unterschiedlichkeit kann man sagen: Die Geschlechter befinden sich nicht nur im selben Boot, sie befinden sich auch in einem vergleichbaren Dilemma: Treffen sich die erwachsene Frau mit ihrer Bindungssehnsucht und der erwachsene Mann mit seinem Bindungsverbot in einer Partnerschaft, muss es zwangsläufig zu Problemen kommen. Nicht immer führen diese Probleme in die Depression. Frauen, die keine genetische Disposition für Depression mitbringen, die durch eine

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