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Wer bin ich ohne dich

Wer bin ich ohne dich

Titel: Wer bin ich ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Nuber
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und der | 193 | Klientin entsteht. Gibt es einen guten, vertrauensvollen Kontakt, ist die Methode zweitrangig.
4. Strategie:
»Nun Frau Königin, wie heiße ich?« – Wenn ich nicht für mich bin, wer ist es dann?
    Zunächst ist die Königin mit ihrer Namenssuche nicht erfolgreich. Doch sie verliert nicht den Mut, sie hat ihr Ziel klar vor Augen und gibt nicht auf. Sie weiß, dass sie sich um die Lösung kümmern muss. Vom König oder von ihrem Vater bekommt sie keine Unterstützung. Die Königin muss sich auf sich und ihren Boten verlassen. Sie weiß, wenn sie sich nicht kümmert, dann verliert sie ihr Kind.
    »Ab morgen will ich besser für mich sorgen, denn mehr habe ich ja nicht und habe ich, scheint mir, nie gehabt.« Das schrieb Marilyn Monroe im Jahr 1958. 1962 starb sie an einer Medikamentenüberdosis.
    Es ist ein Kennzeichen depressiver oder depressionsgefährdeter Frauen, dass sie für sich selbst nicht gut sorgen können. Anderen gegenüber fällt es ihnen leicht, geduldig, nachsichtig, hilfsbereit und mitfühlend zu sein. Doch für sich selbst bringen sie diese Nachsicht oft nicht auf. Sie schauen in den Spiegel, und ihnen gefällt nicht, was sie sehen. Sie machen einen Fehler und können ihn sich nicht verzeihen. Ihnen passiert etwas Peinliches, und sie quälen sich mit Selbstvorwürfen. Jemand verletzt sie mit beleidigenden Worten, und sie denken, sie hätten es nicht anders verdient. Niemanden behandeln Frauen, ganz besonders depressive Frauen, so schlecht wie sich selbst. Mit niemandem haben sie so wenig Mitgefühl wie mit sich selbst. Depressionsgefährdete Frauen neigen dazu, mit sich selbst ungeduldig zu sein und sich selbst zu kritisieren, sie beschuldigen sich für ihr Versagen und | 194 | werfen sich vor, anderen Menschen Probleme zu bereiten. Wenn sie ihre eigenen hoch gesteckten Erwartungen nicht erfüllen, wenn sie glauben, dass sie im Vergleich zu anderen schlecht abschneiden oder wenn sie sich für fehlerhaft halten, ruft das ihren Unmut hervor – Unmut mit sich selbst.
    Die Anwältin Christine ist seit zwei Jahren geschieden, ihre 14-jährige Tochter lebt bei ihr. Regelmäßig kommt es zu Streitigkeiten mit dem Ex-Partner, der ihr vorwirft, die Tochter von ihm zu entfremden und schuld am Scheitern der Ehe zu sein. Und er erzählt der Tochter, wie glücklich er mit seiner neuen Partnerin sei, die um so vieles klüger und einfühlsamer sei als seine Exfrau. Diese stürzt nach Gesprächen mit ihm oder wenn sie hört, was er Böses über sie erzählt, seelisch regelmäßig ab. Sie glaubt, was sie hört. Sie fühlt sich verantwortlich für das Scheitern der Beziehung, dafür, dass die Kinder nun zwischen Mutter und Vater zerrissen sind, dass es die Familie nicht mehr gibt, dass sie nicht so klug ist wie die neue Partnerin ihres Exmannes. Ihre Selbstzweifel gehen so weit, dass sie vor Terminen mit Mandanten zunehmend Ängste entwickelt, weil sie glaubt, auch den beruflichen Anforderungen nicht mehr gewachsen zu sein.
    Wie so viele Frauen, hat auch Christine keinerlei Mitgefühl mit sich selbst. Sie sieht nicht, dass der Ex-Partner voller Rachegelüste steckt, dass er sich weigert, seinen Anteil am Ende der Ehe zu sehen. Sie sieht nicht, dass Tochter und Sohn die Trennung der Eltern ganz gut verkraften – und dass das ihr Verdienst ist, weil sie den Vater nicht schlechtmacht, sondern die Besuche bei diesem fördert. Sie sieht nicht, dass sie nun als alleinerziehende Mutter und berufstätige Frau kaum noch Zeit für sich selbst hat und längst am Ende ihrer Kräfte ist. Würde Christine sich als eine Person wahrnehmen, der viel Unglück und Leid widerfahren ist und die das Beste aus der Situation zu machen versucht, würde | 195 | sie nicht so selbstkritisch mit sich sein, sondern hätte Mitgefühl mit einem Menschen, der in eine schwierige Lage geraten ist, Mitgefühl für sich selbst.
    Von dem Rabbiner Rabbi Hillel, der in der Zeit 30 v. Chr. bis etwa 9 n. Chr. gelebt hat, stammt dieser Ausspruch: »Wenn ich nicht für mich bin, wer ist dann für mich? Solange ich aber nur für mich selber bin, was bin ich? Und wenn nicht jetzt, wann sonst?«
    Die erste Frage ist besonders für depressive oder depressionsgefährdete Frauen von Bedeutung. Gerade sie denken meist, dass Eigeninteresse und Selbstsorge egoistisch und damit verwerflich sind. Sie wollen auf gar keinen Fall egozentrisch und selbstbezogen erscheinen, denn sie selbst leiden ja gerade unter der Tatsache, dass andere wichtige Menschen

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