Wer bist du, schöne Juno
einer Gruppe von Leuten, die vor dem Kamin plauderte.
Er erstarrte.
Eine Frau stand mit einem Baby auf dem Arm vor dem Kamin. Ihre reizvolle Gestalt war in ein topasfarbenes Seidenkleid gehüllt. Perlen schimmerten an ihrem Hals. Sie war größer als der Dandy, mit dem sie sich unterhalten hatte, ein schlanker Mann mit blondem Haar. Martin bemerkte, daß sein Erscheinen das Gespräch abrupt beendet hatte. Ihm wohlbekannte, vor Schreck weitgeöffnete Augen waren auf ihn gerichtet. Mit trägem, durch und durch verruchtem Lächeln ging er direkt auf die schöne Juno zu.
Helen hatte es den Atem verschlagen. Der Anblick des auf der Schwelle des Salons auftauchenden Earl of Merton hatte sie jedes klaren Gedankens beraubt. Mitten im Satz, einer Antwort auf Ferdie Acheson-Smythes Frage, hatte ihr die Stimme versagt, weil sie ganz auf den Mann am anderen Ende des Raumes konzentriert gewesen war. Mit großer Willensanstrengung atmete sie durch und merkte, daß sie von Panik überkommen wurde.
Und dann war Dorothea da, griff nach dem Kind und sagte: „Ich möchte Ihnen meinen Sohn Darcy vorstellen.“
Helen überließ ihn ihr und bemühte sich verzweifelt, die aufgescheuchten Gedanken zu ordnen.
Dorothea hielt das Baby dem Earl zum Bewundern hin.
Martin warf nur einen flüchtigen Blick auf Marcs Erben.
„Er ist fast zwei Monate alt.“
Dorothea hob den Kopf und sah, daß der Freund ihres Mannes ihren Sohn nicht einmal anschaute. Sie musterte ihn und bemerkte, daß er Helen anstarrte. Sie schaute die Freundin an und stellte fest, daß die im allgemeinen unbeirrbare Helen benommen wirkte, gänzlich vom Blick des Earl hypnotisiert. Fasziniert blickte Dorothea zwischen den beiden hin und her.
Marc kam zu der kleinen Gruppe. Als Mann von Welt begriff er nach einem einzigen Blick, was die Szene zu bedeuten hatte.
„Martin, erlaube mir, dich mit Lady Walford, der Patentante meines Sohnes, bekannt zu machen. Helen, das ist der Earl of Merton“, fügte Marc hinzu und wandte sich an die Gattin. „Vielleicht ist es besser, meine Liebe, wenn du Darcy ins Kinderzimmer zurückbringst.“ Und an Helen gewandt, fuhr er mit Unschuldsmiene fort: „Und vielleicht könntest du Martin die anderen Anwesenden vorstellen, zumindest die, an die er sich nicht mehr erinnert.“
Mit wohlwollendem Lächeln entfernte Marc sich und zog die neugierig gewordene Gattin mit sich.
Nachdem die Bahn frei war, erlaubte Martin sich ein verruchtes Lächeln.
Er ging zu Lady Walford, hob fragend eine Braue und sagte: „Schicksal, daß Sie verraten wurden, schöne Juno.“
Die leise gesprochenen Worte hatten ihr wohltuend in den Ohren geklungen und ihr ein angenehmes Frösteln auf dem Rücken erzeugt.
„Helen“, flüsterte sie eindringlich und bemühte sich, das innere Gleichgewicht wiederzufinden. Sie wagte nicht, den Earl anschauen, bis sie es erlangt hatte.
„Für mich werden Sie stets die schöne Juno sein“, lautete die kühne Antwort. „Welcher Mann mit Saft und Kraft könnte auf das Bild verzichten? Denken Sie an die damit verbundenen Erinnerungen!“
Helen beschloß, daß sie das besser nicht tat. Sie war ohnehin schon genug außer Fassung geraten.
Ruhig ergriff Martin ihre Hand und hob sie zum Kuß an die Lippen. Er lächelte, als er merkte, welches Zittern sein Handeln bei Lady Walford hervorrief.
Aus weitgeöffneten Augen schaute sie ihn an und wandte dann rasch den Blick ab. Der Glanz ihn seinen Augen deutete an, daß er gewillt war, sich unerhört zu benehmen. Sein Lächeln war eine Ankündigung verruchter Absichten. Helen rettete sich in Indignation.
„Ich nehme an, Sie sind mit Lord Hazelmere bekannt?“
"Ja, wir sind alte Freunde, sehr alte Freunde sogar.“
Das bezweifelte Helen nicht. Seitjahren hatte Marc sie vor den Avancen der zum ton zählenden Roues beschützt, sie nun jedoch, in seinem Salon, praktisch in Lord Mertons Arme getrieben. Typisch! Sie unterdrückte ein gänzlich undamenhaftes Schnauben der Entrüstung.
Dank der stets untadeligen Manieren hatte Ferdie Acheson-Smythe sich bei Lord Mertons zielstrebigem Erscheinen etwas entfernt.
Mit warnendem Blick auf den neben ihr Stehenden fragte Helen mit erhobener Stimme: „Kennen Sie schon Lord Merton, Ferdie?“
Es stellte sich heraus, daß die Herren sich nicht kannten.
Helen stellte sie einander vor und fügte als Erklärung für den Earl hinzu: „Ferdie ist Marcs Cousin.“
Bewußt Mr. Acheson-Smythes interessiertem Blick ausweichend, legte sie dem
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