Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
zuerst neutrale Gesichtsausdruck des Zimmermädchens verwandelte sich zuerst in Erstaunen und danach in Erschrecken. „Katharina, was ist denn mit Ihnen passiert?“ fragte Josefine aufgeregt.
„Ich muss dringend zu Herrn Adlam“, gab Katharina kund und ihre Stimme klang dabei sehr viel fester, als sie es sich nach diesem furchtbaren Morgen zugetraut hätte.
„Sie sehen schrecklich aus! Hatten Sie einen Unfall?“ wollte Josefine weiter wissen. Ihre Sorge um Katharinas Wohlergehen kam augenscheinlich von Herzen.
„Bitte, ich kann jetzt keine Fragen beantworten. Ich muss zu Herrn Adlam“, beharrte Katharina auf ihr Anliegen.
„Ich muss... Es tut mir leid, Sie hier so draußen stehen zu lassen. Aber ich habe die Anweisung, jeden Besuch anzumelden, bevor ich ihn ins Haus lasse. Egal, ob ich die Person kenne, oder nicht“, sagte Josefine entschuldigend.
„Dann beeilen Sie sich bitte“, bat Katharina inständig.
Josefine nickte und schloss – nach kurzem Zögern und einem weiteren entschuldigenden Blick – die Haustür.
Diese merkwürdige Anweisung mit der vorherigen Anmeldung jeder Person, bevor diese überhaupt den Hausflur betreten durfte, war Katharina neu. Die Regel musste Robert nach den jüngsten Vorfällen, von denen das ganze Dorf sprach, eingeführt haben. – Fühlte er sich in irgendeiner Weise bedroht? Wollte er bestimmte Gäste partout nicht mehr empfangen? – Katharina konnte keine genaue Erklärung für diese Maßnahme finden, hoffte aber, mit Robert selbst nicht nur über ihre, sondern auch über seine Probleme sprechen zu können.
Einige Minuten später öffnete sich die Tür abermals und Robert persönlich stand vor ihr.
„Katharina“, sagte er nur leise und aus seinem Tonfall sprach tiefe Besorgnis. Die schwarzen Augen glitten prüfend über ihr zerschundenes Gesicht.
„Kann ich... kann ich reinkommen?“ stammelte sie. Ihre Kraft war aufgebraucht und die Tränen, die sie so lange hatte zurückhalten können, drohten jetzt endgültig, aus ihr hervorzubrechen. Es waren weniger die körperlichen Schmerzen, die ihre Augen mit Tränen trübten, sondern vielmehr die Hilflosigkeit und der Zorn: Zorn auf ihren Ehemann, und ganz sicher auch auf sich selbst. Sie, die so dumm gewesen war, zu glauben, ihr könne so etwas , wie heute geschehen war, niemals passieren.
Nun war endlich der Zeitpunkt gekommen, die in ihr brennenden, heftigen Gefühle der Wut und der Verzweiflung herauszulassen.
„Komm“, sagte er, bückte sich kurz, um ihre Bücher von der Erde aufzuheben und führte sie ins Empfangszimmer, das gleich im Erdgeschoß um die Ecke lag. Im Zimmer legte er die Bücher auf dem Tisch ab und wandte sich ihr wieder zu. „Hat er noch mehr davon hinterlassen?“ fragte er und wies mit einer kurzen Geste auf die Verletzungen in ihrem Gesicht.
„Einiges“, antwortete Katharina mit ganz kleiner, trauriger Stimme und schon rannen die ersten heißen Tränen über ihre Wangen. „Nicht nur an meinem Körper, sondern auch hier“, fuhr sie weinend, mit zittriger Stimme fort und klopfte sich mit der Handfläche auf ihr Herz. Ja, dort hatte sich ein ziehender Schmerz breit gemacht, der direkt aus ihrer Seele kam.
„Ich schicke Josefine ins Dorf, den Arzt zu holen, wenn du erlaubst“, sagte Robert. Das anklagende ‘Ich-habe-esdir-ja –vorher-gesagt‘, das jeder andere in dieser Situation von sich gegeben hätte, unterblieb.
Katharina schüttelte den Kopf. „Nein. Ich brauche keinen Arzt“, brachte sie mit belegter Stimme unter Tränen heraus. „Ich brauche nur dich . Das heißt, wenn wir zwei noch Freunde sind...“
„Ich habe dir gesagt, du kannst jederzeit zu mir kommen“, erwiderte er. Warum nahm er sie nicht in den Arm oder spendete ihr auf irgendeine andere Weise Trost? Merkte er denn nicht, dass sie dringend menschlicher Wärme bedurfte? Doch er tat nichts dergleichen, sondern sah sie nur aus diesen dunklen Augen an.
„Ich bin von ihm weggegangen. Für immer“, erzählte Katharina Robert. Die Wunden in ihrem Gesicht brannten von den salzigen Tränen. Katharina wagte es nicht, mit ihren rußigen Händen über die Wangen zu wischen, denn der Schmutz würde ihre Verletzungen nur entzünden. Also tropften die Tränen von ihrem Kinn auf ihr ebenso schmutziges Kleid und auf die Erde. Auch ihre Nase begann, zu laufen.
Robert rief Josefine, um Katharina ein sauberes Tuch bringen zu lassen. Josefine war eilfertig zur Stelle und präsentierte ein schneeweißes, gestärktes
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