Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
Schändung des Altars eine Art Zeichen für uns ist? Dass wir den Altar nicht aufstellen dürfen, solange das Geld dafür aus der Hand eines Mannes kommt, der vielleicht gemordet hat?“
„Er hat nicht vielleicht gemordet“, empörte Mathilde sich weiter. „ Ich bin Zeuge dafür, dass er es getan hat! Ich habe mit eigenen Augen den Toten gesehen und den Todesschrecken in seinen Augen! Ich habe den Schuss gehört, oben in der Dachkammer! Ich habe gesehen, wie Herr Adlam wie eine teuflische Erscheinung mein Geschäft betreten hat, um den armen Gesellen zu ermorden!“
Meister Rudolph beschwichtigte die inzwischen recht laut gewordene Mathilde mit möglichst ruhiger Stimme: „Frau Habers, Sie haben doch nicht wirklich einen Mord beobachtet. Es hat einen Streit gegeben, das wissen wir. Aber wir wissen auch, dass mein Geselle danach unbeschadet die Dachkammer verlassen hat.“
„ Natürlich hat er das “, erwiderte Mathilde, noch eine Spur aufgeregter, als vorher. „Wenn er die Dachkammer nicht heile verlassen hätte, dann säße Herr Adlam jetzt schon in einer Zelle. Das wusste er doch selbst ganz genau. Also hat er so lange gewartet, bis keine Zeugen mehr in der Nähe waren.“
„Die Polizei ist da wohl inzwischen anderer Meinung“, wandte der Bildhauer wiederum ein. „Ich habe gehört, dass der Verdacht sich nach und nach auflöst und nicht die Spur eines Beweises oder eines Motivs zu finden ist.“
Mathilde wies mit dramatischer Geste auf den blutbefleckten Christus in der Werkbank. „ Schauen Sie sich den Christus an “, sagte sie und ihre Stimme bebte dabei. „Ist das nicht Beweis genug? – Blut klebt an dieser Figur, und Blut klebt an den Händen ihres Stifters! “
Pfarrer Brechts Blicke folgten ihrem ausgestreckten Zeigefinger und seine Augen blieben an der Holzskulptur haften. Man sah seinem Gesicht sehr deutlich an, dass Mathildes Worte ihn im Innersten getroffen hatten. Er dachte intensiv darüber nach, ob er mit seiner getroffenen Entscheidung, den Altar zu reinigen und trotz allem im Chor seiner Kirche aufzustellen, wirklich richtig lag.
– Hatte Robert Adlams Einfluss ihn auf einen falschen Weg geleitet?
„ Ein solcher Altar wird Unglück über die ganze Gemeinde bringen !“ fuhr Mathilde mit eindringlichem Tonfall fort. „ Und es gibt nur eine Möglichkeit, wie wir das verhindern können: Wir müssen den Altar verbrennen und Robert Adlam aus unserer Gemeinde ausschließen!“
Meister Rudolph warf dem Pfarrer einen stummen Blick zu, der seinerseits noch immer die befleckte, halb fertige Christusfigur musterte. Der Bildhauer sah nach diesen letzten Worten Mathildes sehr unglücklich aus, und der Anblick des zweifelnden Gesichts Pfarrer Brechts schien ihm alles andere als Trost zu spenden.
„Verbrennen?“ fragte Meister Rudolph deshalb mit mehr trauriger, als entrüsteter Stimme. „Das meinen Sie doch nicht ernst, Frau Habers!“
Jedoch Mathilde nickte mit warnend erhobenem Finger. „Es sind genug Unglücke geschehen, in letzter Zeit. Wir müssen dem ein Ende setzen!“
„Ich... ähm“, stammelte der Pfarrer, räusperte sich und schien dann plötzlich überhaupt nicht mehr zu wissen, was er hatte sagen wollen. Gedankenverloren sah er sich im Raum um, ließ seinen Blick über jedes Einzelteil des mehr als halb vollendeten Werks gleiten.
„Herr Pfarrer, ich finde, dass das alles ziemlich übertrieben ist“, wandte Meister Rudolph ein, doch seine Stimme klang dabei schwach, wie ausgelaugt. Die zornig erhobenen Brauen und die unheildrohende Stimme der Bäckersfrau hatten ihn völlig durcheinander gebracht.
„Ich weiß nicht...“, begann Pfarrer Brechts und stockte dann wieder.
„ Herr Pfarrer “, sagte Mathilde mit ihrer niederdrückenden Stimmgewalt und schaute dem Gottesmann sehr, sehr ernst in die Augen. „Sie dürfen jetzt keine falsche Entscheidung treffen. Menschen sind verschwunden und nicht wieder aufgetaucht. Der Geselle, der an diesem Altar gearbeitet hat, ist brutal ermordet worden. Der Wald hat gebrannt. Und das alles steht in Verbindung mit diesem Altar . Und mit Herrn Adlam , der Ihnen ins Gewissen geredet hat. Der versucht hat, durch Sie seinen Willen wahr zu machen: den Willen eines Mannes, der dem Herrn spottet.“
„Ich weiß nicht...“, fing der Pfarrer abermals an, hielt wieder inne und dachte mit schwer gerunzelter Stirn kurz nach. „Vielleicht habe ich mich von ihm beeinflussen lassen. Aber es klingt doch alles so logisch: Die Macht Gottes ist
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