Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
Kerl, wie ein Kleiderschrank. Ich will zwar nicht, dass Sie Angst haben, aber ich denke: Der kommt überall rein, wo er will.“
„Robert ist dauernd im Haus“, stellte Katharina fest. „Er kommt zwar nur selten mal ein paar Minuten zu mir, aber ich weiß doch, dass er seit zwei Tagen nicht mehr fortgegangen ist. Es entspricht absolut nicht seiner Gewohnheit, ständig im Haus zu bleiben. Aber es entspricht genauso wenig seiner Gewohnheit, dass er nur so wenig Zeit für mich übrig hat.“
„Er ist fast immer im Büro“, bestätigte Josefine diese Bemerkung. „Er hat sonst auch nie viel geschlafen, aber im Moment glaub‘ ich fast, er schläft gar nicht mehr.“
Das Zimmermädchen mochte Katharina sehr. Mit ihr konnte man einfach so reden, ohne lange darüber nachzusinnen, welche Gedanken man nun vor ihr geheim halten musste, und welche nicht. Bei den anderen Gästen, die Herr Adlam von Zeit zu Zeit hatte, war dies anders. Die reichen Geschäftsleute sahen in Josefine nur ein dummes Dienstmädchen. Als Mensch war sie für diese Leute unsichtbar. Katharina jedoch schien keinerlei Hürden zwischen ihnen beiden zu sehen, was ja auch verständlich war: Schließlich entstammte diese junge Frau einer Bauernfamilie und war weder reich, noch hoch angesehen. Und genau dieses arme Bauernmädchen Katharina ging schon seit vielen Jahren im Hause Adlam ein und aus: so verschieden von allen anderen Menschen, die hier jemals, seit Josefine sich erinnern konnte, zu Gast gewesen waren. Und scheinbar auch die einzige Person, die jemals so etwas wie eine Freundschaft zu Robert Adlam aufgebaut hatte. Wie auch immer ihr das gelungen war...
Katharina starrte nachdenklich vor sich, ihr Blick ging ins Leere. Sie saß aufrecht im Bett, eins der von Josefine herbei gebrachten Bücher lag aufgeschlagen auf ihrem Schoß. Josefine erkannte das Buch wieder: Sie hatte es für die junge Frau aus der Bibliothek geholt, gleich, nachdem diese sich vor zwei Tagen in das frisch bezogene Bett begeben hatte. Katharina war jedoch erst auf Seite 20 angelangt, was zeigte, wie wenig sie sich bisher auf das Lesen hatte konzentrieren können.
„Ich habe schon versucht, mit ihm darüber zu reden“, sagte Katharina nach einer Weile des Schweigens. „Aber es hat keinen Sinn. Er reagiert auf Fragen völlig abweisend, zum Teil sogar zornig.“
Josefine nickte daraufhin nur.
„Wenn ich nicht weiß, was in ihm vorgeht“, fuhr Katharina fort, „dann kann ich ihm auch nicht helfen. Aber weil er so viel für mich tut, möchte ich ihm doch auch gerne beistehen. Ihm meine Freundschaft zeigen.“
„Ach, Katharina“, warf Josefine ein. „Sie sollten lieber selbst erst mal wieder auf die Beine kommen, statt sich um anderer Leute Sorgen den Kopf zu zerbrechen! Wenn Sie hier `rumliegen und auch noch über Herrn Adlams Probleme nachgrübeln, dann wird alles nur noch schlimmer für Sie. – Ruhen Sie sich lieber aus, damit es Ihnen schnell wieder besser geht. Dann können Sie hier weg, bevor Ihr Mann plötzlich vor der Tür steht.“
„Ja, ich weiß...“ Katharinas Stimme klang sehr unglücklich. „Eine nette Wohnung in der Stadt wartet auf mich, wenn ich wieder einigermaßen schmerzfrei laufen kann. Robert wird alles für mich arrangieren. Und ich werde dann dort allein unter fremden Menschen hocken und mit mir selbst nichts anzufangen wissen …“
Josefine setzte sich auf einen Stuhl neben das Bett der jungen Frau, um ihr besser ins Gesicht blicken zu können. Katharina sah so verloren aus, so unsagbar traurig. Gerne wollte das Zimmermädchen sie mit irgendetwas trösten, aber es war so furchtbar schwer, die richtigen Worte zu finden.
„Vielleicht...“, begann Josefine zögernd. „Mmh... vielleicht fällt Ihnen bald ein, was Sie
aus Ihrem Leben machen wollen. Irgendwie geht’s bestimmt vorwärts. Ich mein‘: Sie wissen doch so viel, aus all den vielen Büchern. Wenn mir mal jemand `was beigebracht hätte, als ich noch ein Kind war, ich mein‘ ein bisschen Bildung und Wissen und so: Dann wär` ich, hätte ich auch noch das Geld dazu gehabt, auch in die Stadt gegangen. Aber nicht, um bei reichen Leuten die Böden zu wischen. Apothekerin wär` ich geworden, das ist doch was! Und alle hätten dumm geglotzt, meine ganzen alten Freunde: So eine schlaue Frau, hätten sie gesagt! – Sie haben doch wirklich Glück, Katharina, einen so reichen und gebildeten Freund zu haben. Dann können Sie wirklich was aus sich machen!“
„Ich habe bis vor kurzem
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