Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
Katharina überlegend und spielte mit den Fingern an dem Kettchen, sodass sich der silbrige Anhänger daran drehte und blitzend die Sonnenstrahlen auffing.
„Ach, ich wollte Sie ja noch fragen, ob Sie wissen, wo Herr Adlam ist“, kam es Josefine wieder in den Sinn. „Hätt‘ ich fast vergessen!“
Katharina wandte die Augen von dem Kreuz-Anhänger ab. „Er ist für etwas längere Zeit fort. Hat er Ihnen das nicht gesagt?“
Josefine schüttelte den Kopf.
„Robert ist auf der Suche nach neuen Pferdepflegern“, erklärte ihr Katharina daraufhin. „Er meinte, es wird Zeit, die Pferde von den beiden Viehtreibern zu erlösen.“
„Hat er mir nicht gesagt“, bemerkte Josefine. „Muss er wohl vergessen haben... Wie lange wird er denn weg sein?“
Katharina zuckte mit den Schultern. „Weiß ich nicht. Er meinte, es wird so lange dauern, bis er die richtigen Leute gefunden hat.... Ich finde es wirklich gut, dass endlich wieder etwas Leben in ihn kommt. - Normalerweise hätte er es niemals zugelassen, dass solche Leute auch nur einen einzigen Tag lang seine Pferde betreuen. Aber in den letzten Tagen schien ihm irgendwie alles egal gewesen zu sein.“
„Das ist dann nicht das einzige, was wieder in Gang kommt“, verriet Josefine. „Ich hab‘ heut‘ dem Bildhauer und dem Maler für den Altar das ganze Geld gebracht, was sie noch kriegen. Irgendwie scheint’s so, dass Herr Adlam entschlossen ist, wieder Ordnung in alles zu bringen. Frag‘ mich nur, was er mit dem Altar anstellen will.“
Katharina antwortete ihr nicht und schien auch nicht sonderlich überrascht über diese neue Entwicklung zu sein. Die junge Frau betrachtete wieder das Kettchen in ihren Händen und nach einigen Sekunden des Überlegens legte sie es sich um den Hals.
„Würdest Du es bitte für mich schließen?“ erkundigte sie sich freundlich bei Josefine.
Natürlich war diese sofort zur Stelle, um behilflich zu sein. Katharina hatte ihre braunen Haare zu einem Zopf geflochten, den sie jetzt über ihre Schulter legte, damit Josefine besser ihren Nacken erreichen konnte. Der winzige Verschluss der Kette war etwas verbogen und deshalb schwer zu öffnen. Aber nach einigem Probieren gelang es Josefine trotzdem, das Schmuckstück um zu befestigen.
„Jakob sagte, es soll Sie beschützen“, merkte Josefine an.
„Es kann gut sein, dass ich in der nächsten Zeit sehr gut etwas Schutz gebrauchen kann“, antwortete Katharina ihr. „Denn ich habe keine Ahnung, was nun werden soll. – Robert will mir helfen, dafür bin ich ihm dankbar. Aber mit seinem Geld kann er mir kein neues Leben geben.“
Die Wahrheit
Kann man Menschenleben gegeneinander aufwiegen? Ist eins nicht so viel wert, wie das andere? Den einen Jungen habe ich den Händen des Priesters entrissen, den nächsten habe ich mit meinen eigenen Händen ermordet. Wer bin ich, dass ich mich wieder einmal zum Richter über Leben und Tod gemacht habe? Es ist schwer, zur behaupten, man stehe auf der Seite des Guten, wenn man das Böse tut.
Zu rechtfertigen ist mein Handeln in keiner Weise. Besonders deshalb nicht, weil ich den Keim eines Gefallens an der ganzen Sache spüre: Ich lasse mich mitreißen von der Kraft, die ich in mir zu neuem Leben erweckt wurde ist, seit ich zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder die alte Sprache gesprochen habe. Ein ganz essentieller Teil meiner Seele scheint nach einer langen Zeit des Schlafs wieder erwacht zu sein, und dürstet nun danach, sich wieder gänzlich zu entfalten. Es ist, als wäre ich zu meinem ureigenen Element zurückgekehrt. Dieser Gedanke beunruhigt mich, denn ich habe das Gefühl, den Kampf gegen meine eigenen Wurzeln angetreten zu sein. Das, was die Essenz meiner eigenen Seele auszumachen scheint, plane ich, zu vernichten.
Und dieser Schlag soll endgültig sein.
Einen Opferaltar zu zersprengen und der Hoffnung zu erliegen, dass der Priester vom Steinhagel erschlagen wird und mit ihm seine finstere Lehre vom Erdball verschwindet, scheint mir heute naiv. Der Hebel muss viel tiefer ansetzen, und seine endgültige
Auslöschung darf keinesfalls auf das Prinzip Zufall gestützt werden.
Aus diesem Grund habe ich mich wieder auf sein Spiel eingelassen: Um eine Annäherung zu erreichen, vielleicht sogar einen gewissen Grad des Vertrauens. Natürlich wird er mich heute in einem ganz anderen Licht sehen, als damals, bevor ich ihm die Stirn geboten habe. Jedoch habe ich gar nicht die Absicht, über die Geschehnisse der vergangenen
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