Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
ihm einen kleinen, aufmunternden Klaps auf die Schulter, bevor sie ihren Weg fortsetzte. „Mach’s gut, Jakob.“
Es war rührend, wie sehr dieser kräftige Bauernsohn um seine kleine Schwester besorgt war. Und diese kindliche Verlegenheit... Das absolute Gegenteil von diesen gehässigen, aufdringlichen Knechten, die sie auf offener Straße beschimpft hatten!
Als sie von ihrem langen Dienstgang zurück war und alle erstandenen Lebensmittel in der Küche verstaut hatte, wollte sie Herrn Adlam melden, dass alle ihre Aufträge erfüllt und das Geld sicher angekommen war. Jedoch war sein Büro leer und auch in der selten benutzten Wohnstube fand sie ihn nicht. Etwas ratlos beschloss sie, Katharina zu fragen, ob sie wisse, wo Herr Adlam geblieben sei. Er hatte nämlich heute Morgen nichts davon erwähnt, dass er noch fort wollte. Aber vielleicht war er nur kurz zum Stall gegangen, um nach dem Rechten zu sehen.
Katharina saß auf ihrer Bettkante, als Josefine – nach vorherigem Anklopfen – das Krankenzimmer betrat. Die junge Frau hatte das Kleid angezogen, das Josefine für sie in Herrn Adlam Auftrag im Dorf erstanden hatte. Sie war gerade dabei, es vorne zu schnüren und blickte von ihrer Tätigkeit flüchtig auf. „Hallo, Josefine.“
Katharinas Gesicht sah mittlerweile nicht mehr ganz so schlimm aus. Die Schwellungen waren zurückgegangen, und die vor kurzem noch rot und blau gefärbten Prellungen waren dabei, sich in einen blassen Gelbton zu verwandeln. Im Zimmer herrschte heller Sonnenschein, der durch die endlich geöffneten Läden hereinfiel. Der freundliche Geruch des Frühlings, der draußen vollends Besitz von der Natur ergriffen hatte, war auch hier zu spüren.
„Es ist ein bisschen weit“, meinte Katharina, während sie die Schnüre an der Taille straff anzog. „Ich hab‘ noch nie ein Kleid getragen, das nicht selbst genäht war: Entweder von Mutter, oder von mir selbst.“
Josefine blieb an der Tür stehen und betrachtete Katharina. „Sieht aber hübsch aus“, stellte sie fest.
„Es fühlt sich auch gleich viel besser an, ein richtiges Kleid zu tragen, statt des Nachthemds“, meinte Katharina mit zufriedener Miene. „Irgendwie... gesund. “
„Das ist schön“, lächelte Josefine. „Dann geht’s Ihnen also wieder besser...“
Das kleine Päckchen in ihrer Rocktasche fiel ihr plötzlich wieder ein. Sie nahm es mit einem schnellen Griff heraus, machte einige Schritte auf Katharina zu und streckte es ihr hin:
„Hier, Fräulein Katharina. Soll ich Ihnen geben. Von Jakob.“
Katharina warf Josefine einen verwunderten Blick zu. „Jakob? Mein Bruder ?“
„Ja. Den hab‘ ich heute kurz vor ’m Markt getroffen. Hat auf mich gewartet, bei Kerstens um die Ecke. War ganz besorgt um Sie, weil er nicht wusste, wie’s Ihnen hier so geht.“
„Jakob...“, wiederholte Katharina, ließ die Schnüre des Kleides los und nahm das Päckchen aus Josefines Hand entgegen. „Weißt du: Beinah hätte ich geglaubt, dass keiner aus meiner Familie auch nur einen Gedanken an mich verschwendet. Außer vielleicht in Wut darüber, dass ich meinem Ehemann weggelaufen bin.“
„Ich glaub‘, der hat sie wirklich lieb, der Jakob“, erklärte Josefine ihr. „Jedenfalls hat er das gesagt – und ist ganz rot dabei geworden...“
Auf Katharinas Lippen erschien ein kleines Lächeln. „Ja, er gehört nicht zu der Sorte Mensch, der gut mit Gefühlen umgehen kann.“
Vorsichtig zog sie an dem Bändchen, mit dem das Päckchen verschnürt war. Es löste sich schnell, und als sie das braune Papier abzog, hielt sie eine kleine Schachtel in der Hand, die ein raschelndes Geräusch von sich gab, wenn man sie bewegte. Katharina hob den winzigen Deckel der Schachtel hoch, und zum Vorschein kam darunter ein schmales Silberkettchen mit einem Anhänger. Sie hob es behutsam heraus und hielt es zwischen sich und Josefine in die Luft. „Oh“, machte sie erstaunt.
Josefine bückte sich ein wenig, um das kleine Kreuz zu betrachten, das an der Kette baumelte. Es war ganz schlicht, mit einer schimmernden Oberfläche ohne jeglichen Gravuren.
„Sie sollten ’s umtun“, schlug sie Katharina vor. „Es ist bestimmt sehr hübsch zu Ihrem neuen Kleid.“
„Ich kenne Jakob gar nicht wieder“, murmelte Katharina sichtlich verblüfft.
„Er ist ein guter Kerl mit einer derben Schale“, meinte Josefine. „Man hat’s heute ganz genau gemerkt, wie sehr er an Ihnen hängt, Katharina.“
„Ja... Scheinbar...“, erwiderte
Weitere Kostenlose Bücher