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Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Titel: Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Gees
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genau, wie damals, als mich das Leid unserer Opfer nicht berühren konnte: Mein Kopf war angefüllt von den Worten der Alten Sprache und mein Körper nur noch die Marionette einer reduzierten Seele, die einzig darauf fixiert war, die Zeremonie durchzuführen, die sie zum gewünschten Ziel führen würde.
    Nur die schrillen Schreie des qualvoll sterbenden Kindes brachten mich für einige Sekunden in die Wirklichkeit zurück und der zügellose Hass, den sie auslösten, richtete sich gegen den Priester, sowie auch gegen mich selbst. Diesen Hass wiederum zu verdrängen, gelang mir nur, indem ich wieder in die Welt der völligen Gefühlskälte zurück glitt und mich sozusagen wiederum meiner Menschlichkeit entledigte.
    ------- DIANE ------
     
    Lange wollte sie hier nicht bleiben. Ganz bestimmt nicht.
    Es war nur so, dass Anna sie so dringend brauchte. Und – das musste sie insgeheim zugeben – auch sie war auf Annas Nähe angewiesen. Wie sonst sollten sie beide diese furchtbare Sorge und Ungewissheit durchstehen, wenn nicht gemeinsam?
    Die Polizei hatte keinerlei Hinweis auf Bernhards Verbleib gefunden, obwohl mehrere Beamte über zwei Tage hinweg das gesamte Haus sorgfältig untersucht hatten. Es schien so, als habe sich ein großes Loch im Erdboden aufgetan, das ihren kleinen Bruder verschlungen hatte. Dass er im Nachthemd und ohne Schuhe das Haus selbständig verlassen haben sollte, war undenkbar. Aber wenn es sich um eine Entführung handelte, wie um alles in der Welt waren die Entführer dann ins Haus gelangt? Fenster und Türen waren fest verriegelt gewesen, wie jede Nacht. Das sorgfältige Verschließen des Hauses war für die Dienstboten eine abendliche Routine, die niemals vernachlässigt wurde. Richard von Roder lag die Einbruchssicherheit seines Hauses sehr am Herzen, und deshalb hatte er nicht nur eine Unmenge stabiler Schlösser anbringen lassen, sondern auch das Personal angewiesen, in genau vorgegebener Reihenfolge jeden Abend alles zu versperren und zu sichern.
    Laut persönlicher Überprüfung durch Dianes Vater selbst, aber auch nach sorgfältiger Nachkontrolle durch die Polizei hatte sich herausgestellt, dass keines der Schlösser beschädigt war. Es fanden sich keine Spuren eines Einbruchs oder der Anwesenheit eines fremden Menschen. Doch Bernhard blieb verschwunden.
    Niemand in Lindheim schien ihn gesehen zu haben, keiner hatte besondere Beobachtungen aus jener mysteriösen Nacht zu melden, als der Junge verschwunden war. Das Haus befand sich an einer belebten Straße, wo auch nachts der ein oder andere Passant des Weges kam. Doch ein Zeuge irgendwelcher merkwürdigen Vorgänge rund um das Haus der von Roders war bisher noch nicht gefunden worden.
    Diane kam immer wieder das schmale, blasse Gesicht ihres Bruders in den Sinn, wie es ihr traurig nachgeblickt hatte, als sie das Haus verließ. Was ist, wenn ich dich nie mehr wiedersehe? hatte er sie gefragt. Wenn sie die großen, dunkelblauen Augen vor sich sah, dann verspürte sie einen Schmerz, der nicht nur seelisch war, sondern auch auf ihren Körper übergriff: Ihr Herz krampfte sich zusammen und schien für eine Sekunde seine Arbeit zu verweigern. Heftige Stiche in ihrem Kopf machten sich breit und blockierten jeden vernünftigen Gedanken.
    Nein, geweint hatte sie kein einziges Mal. Nicht wirklich.
    Es hatte seit ihrer frühesten Kindheit nur noch seltene Momente in ihrem Leben gegeben, wo sich Tränen in ihre Augen gedrängt hatten. Aber kein einziger Tropfen dieser Tränen war jemals wieder über ihre Wangen geflossen, seitdem sie sich selbst das Weinen verboten hatte.
    Er wird wiederkommen , redete sie sich immer wieder selbst ein. Wer sollte diesem zerbrechlichen, zarten Jungen etwas antun? Wer sollte in der Lage sein, in diese seelenvollen Augen zu sehen und ihm trotzdem Schaden zuzufügen?
    Richard von Roder war mit seinen Nerven am Ende. Der Arzt kam mehrmals täglich zu ihm, verordnete ihm Bettruhe und gab ihm beruhigende Medikamente. Trotzdem lief er ständig im Haus herum, ziel- und rastlos. Er stand am Fenster, starrte hinaus, ohne etwas zu sehen, und war die meiste Zeit über nicht ansprechbar.
    Diane war Luft für ihn. Sein momentaner schwerer Kummer – der Verlust seines einzigen Sohnes – konnte die Wut seiner ältesten Tochter gegenüber nicht verdrängen. Nur manchmal legte er den Arm um Anna und presste seine jünger Tochter an sich, als sei sie sein persönlicher Rettungsanker.
    Die Stimmung im Hause von Roder war kaum mehr

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