Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
Schiene entfernt und darunter kam ein noch immer leicht geschwollenes Knie zum Vorschein, das jedoch schon sehr viel besser geworden war. Roberts Hände glitten vorsichtig über die Schwellung und ertasten sorgfältig jeden Zentimeter. Heute lösten seine Berührungen keinerlei Schmerz aus, sondern – im Gegenteil – ein leichtes, angenehmes Kribbeln.
„Vielleicht hättest du noch eine Weile länger im Bett bleiben sollen“, erklärte er nach einigen Minuten der Stille und legte seine komplette Handfläche über ihr Knie. Wärme durchströmte das gereizte Gewebe.
Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, denn er hielt den Kopf gesenkt. Aber sie glaubte sehr, sehr leise seine Stimme zu vernehmen, die Worte sprach, die nicht für ihre Ohren bestimmt waren. Katharina hielt den Atem an und lauschte, doch es war nichts mehr zu hören. Vielleicht hatte sie sich auch getäuscht, und das kaum vernehmbare Murmeln war in Wirklichkeit das leise Rauschen des Windes in den Baumwipfeln vor dem Fenster gewesen.
Robert stand auf und schob die Einzelteile der Beinschiene mit dem Fuß beiseite. „Es wird alles wieder in Ordnung kommen, obwohl du dich eigentlich mehr hättest schonen sollen.“
„Heißt das, ich brauche dieses Ding nicht mehr zu tragen?“ erkundigte sie sich bei ihm.
Er nickte. „Ja, das heißt es.“
Katharina warf einen letzten kurzen Blick auf ihr verletztes Knie, bevor sie den Rock wieder darüber schob. Selbst jetzt, nachdem Robert längst wieder vor ihr stand, spürte sie noch genau das sanfte Gewicht seiner Hand auf ihrem Knie, wie ein wärmender Abdruck.
„Du solltest dich aber weiterhin schonen. In den letzten Tagen warst du ja nicht eben besonders ehrgeizig, meinen Anweisungen zu folgen.“
„Das tut mir leid...“, entschuldigte sich Katharina bei ihm. „Heute hat mich das herrliche Wetter nach draußen gelockt.“
„Und gestern bist du sicher auch mehr herumgelaufen, als dir gut tat“, stellte er fest. Sein Gesicht war jedoch nicht so furchtbar ernst, wie seine Worte. Seit dem Tag, als er beschlossen hatte, die
Fensterläden in ihrem Krankenzimmer endlich zu öffnen, war er nie wieder richtig böse zu ihr gewesen. Vorher hatte seine schlechte Laune sehr häufig die Grenze der Erträglichkeit erreicht.
Dass sich jedoch trotzdem noch lange nicht alles zum Guten gewendet hatte, was ihn betraf, wurde ihr aus dem nun folgenden Gespräch deutlich: Robert bat sie, den Stuhl zu wechseln und an seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. Es war sehr ungewohnt für Katharina, einige Schritte ohne die lästige, jedoch ihr schmerzendes Gelenk stabilisierenden Schiene zu gehen. Er stellte ihr den Stuhl bereit, der etwas unbequemer war, als ihre vorherige Sitzgelegenheit.
„Einen Augenblick“, sagte Robert zu ihr, als sie wieder saß, und griff in seine Hosentasche, um ein Schlüsselbund hervor zu holen. Mit einem kleinen, silbernen Schlüssel sperrte er ein eher unauffälliges Schrankfach auf, das sich auf Kniehöhe befand. Daraus hervor holte er zwei dicke, ledergebundene Bücher, die er vor sie auf dem Schreibtisch ablegte.
Katharina runzelte verwundert die Stirn. „Was ist das?“ fragte sie, ohne die geringste Ahnung, was er ihr zeigen wollte.
„Erstens:“, sagte er und wies auf das etwas dickere Buch, das zuoberst lag. „Die laufenden Geschäfte. Geschäftspartner, investierte Geldsummen... Die Verträge liegen noch drüben im Schrank.“
Sie riss ihren Blick von den rätselhaften Büchern los und blickte ihn aus großen Augen an. „ Was soll das ?“ wollte sie von ihm wissen.
„Ich möchte, dass du es dir ansiehst.
Du musst nicht den ganzen Rest des Tages damit verbringen. Eine kleine Orientierung wird schon genügen...“
Katharina leckte sich über die plötzlich trocken gewordenen Lippen. „Und das?“ fragte sie, während sie mit dem Zeigefinger auf das zweite Buch tippte. „Was ist das?“
„Mein Besitz“, antwortete er und hockte sich plötzlich neben ihren Stuhl, um ihr besser ins Gesicht sehen zu können. „ Alles, was ich habe.“
„Ich verstehe nicht...“, meinte sie ziemlich verstört und kämpfte gegen den trockenen Kloß an, der ihr im Hals saß.
Sein Blick war äußerst ernst, als er – jedoch ohne die Augen von ihr zu wenden – einen Finger zwischen die ersten Seiten des obersten Buches schob und es aufklappte. „Doch, du versteht“, widersprach er. „Bei dir wird alles in guten Händen sein.“
11. Der Richter
Die Wahrheit
Als ich mein Pferd näher an
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