Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
in den Händen der schwarzen Brüder verbracht hatten, recht wenig gelitten. Die Helfer des Priesters schienen sich tatsächlich einigermaßen zurückgehalten zu haben. Vielleicht hatte sie einige Prellungen davongetragen, und man hatte ihr augenscheinlich an den Haaren herumgezerrt, aber ansonsten schien ihr Körper unversehrt zu sein. In ihren Augen konnte ich die Demütigung erkennen, die sie erlitten hatte. Was sie sonst an Schmerz in sich trug, war nicht körperlicher Natur.
„Tja, mein lieber Robert“, vernahm ich des Priesters warmherzige Stimme, „ich habe auf dich gewartet. – Da ich, wie du weißt, noch sehr viele Dinge zu erledigen habe, wäre es freundlich von dir, dich statt meiner ein wenig mit Johanna zu unterhalten.“
Ich hörte, wie er aufstand, wandte mich aber noch immer nicht zu ihm um.
Johanna wurde unter meinen Blicken etwas unruhig.
„Bis später“, sagte er und seine Schritte im weichen Waldboden entfernten sich von uns. Er verschwand irgendwo in der leeren Dunkelheit und ließ uns allein.
Die junge Frau schluckte, dann meinte sie, mit sehr leiser Stimme. „Er ist sehr freundlich, dieser Mann.“
„Ja?“, fragte ich zurück. Mein Tonfall war hart, ziemlich missgestimmt.
„Ich... ich habe...“, begann sie und musste dann hart schlucken, um ihre Kehle zu befreien. „Ich habe große Angst gehabt, als diese vermummten Männer mich überfallen haben. Auf dem Weg... auf dem Weg hierhin war ich überzeugt, sie wollten mich töten.“
„Ach“, gab ich einsilbig zurück.
„Aber dann habe ich... habe ich diesen Mann kennengelernt. Ich weiß nicht, wie er heißt.... Er hat so lange mit mir geredet und war so gut zu mir... Stimmt es, dass er Richter ist?“
Es gelang mir nicht, meine Überraschung zu verbergen. „Hat er Ihnen das erzählt?“ erkundigte ich mich. Ich bemerkte selbst, dass mein Tonfall nicht einmal annähernd die Liebenswürdigkeit beinhaltete, mit der der Priester eben noch gesprochen hatte. Eher im Gegenteil: Es war kaum zu übersehen, dass ich sie mit meiner Schroffheit verunsicherte. Doch sie schien auf Gedeih und Verderb ein Gespräch mit mir führen zu wollen, wohl, weil es das Miteinander Reden war, was ihre Entführer in ihrem Kopf zu Menschen machte.
Johanna nickte. „Ja, das hat er gesagt. Und... und dass Sie mir nichts antun wollen, dass ich keine Angst haben muss... Er ist so... kultiviert...“
Es war nicht zu verleugnen, dass sie eine Tochter aus höherem Hause war. Die Art, wie sie redete, ließ auf einige
Bildung schließen, höchstwahrscheinlich Privatunterricht bei einem gut bezahlten Lehrer. An gesellschaftlich hochrangige Menschen hielt sich der Priester äußerst selten – und wenn, dann nur mit gutem Grund – wenn es darum ging, seine Opfer zu beschaffen. Arme Leute entführen war schlicht gesagt einfacher: Man würde keinen so hohen Aufwand betreiben können, um die Vermissten zu suchen. Und oft genug fanden die Angehörigen dieser in niedrigen Schichten anzusiedelnden Menschen tausend Gründe, warum der Verschwundene einfach fortgelaufen sein könnte, um anderswo sein Glück zu suchen.
„Er ist Lügner“, erwiderte ich ihr knapp.
Denn: Wie konnte ich sie weiter in dieser sorgfältig konzipierten Wolke aus Illusionen schweben lassen?
Johannas Augen weiteten sich, in ihren Mundwinkeln zuckte es. „Ein Lügner?“ fragte sie und ihre wachsende Verunsicherung war deutlich ihrem heiseren Tonfall zu entnehmen.
„Was glauben Sie, was mit einem Richter geschieht, der nachweislich in einer Entführung verstrickt ist?“ versuchte ich, ihren zwecks Selbstschutzes blockierten Verstand ein wenig anzuregen.
Sie schüttelte heftig den Kopf und ich bemerkte, wie sie angstvoll zu zittern begann. „Nein“, widersprach sie mir eine ganze Ecke zu nachdrücklich. „Er behandelt mich gut, ich werde ihn nicht verraten! Niemand wird von mir erfahren, was geschehen ist!
BESTIMMT NICHT!“
Ich ging auf ihren Versuch, die Tatsachen zu leugnen, nicht ein. „Ein Richter, der die Fäden zu einer Entführung gesponnen hat, wird nicht mehr lange ein Richter sein“, beantwortete ich meine zuvor gestellte Frage selbst.
„Warum... warum dieses Risiko?“ fragte sie sichtlich beklommen zurück. „Warum... haben Sie mich entführt... Robert?“ Sie mühte sich mit der englischen Aussprache meines Namens sichtlich ab, war darauf bedacht, bloß nicht mein Missfallen zu erregen.
Ich zögerte nur einen sehr kurzen Moment. Mein Entschluss, das „Spiel
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