Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
herangetreten war, um über ihre Schulter zu sehen. Eine Sekunde zu spät für ihn. „Diane,“, sagte er, „Lass es gut sein. Ich weiß jetzt, dass du mir auf allen Wegen wieder begegnest.“
Sie legte das Buch wieder beiseite, drehte sich herum und hob ihm ihr Weinglas entgegen. „Auf dich“, sagte sie. „Was immer in deinem Leben nicht stimmen mag – ich hoffe, es ist bald beendet.“
„Ein Ende ist nicht immer positiv“, erwiderte er und nahm sein Glas zurück vom Tisch. Ein wenig Wein schwappte an einer Seite über und hinterließ einen kleinen, roten Tropfen auf seiner Hand. „Die Wirklichkeit gleicht in den seltensten Fällen einem Märchen.“
„In der Tat“, bestätigte sie ihm. „Aber wo keine Hoffnung ist, da kann auch kein Leben sein.“
Plötzlich erschien in seinem Gesicht die Spur eines Lächelns, und auch er hob nun sein Glas. „Dann auf die Hoffnung“, sagte er.
„Die Hoffnung“, erwiderte sie und setzte ihr Glas abermals an die Lippen, um einen großen Schluck des köstlichen Weins zu nehmen. Doch er trank nicht gleich, sondern warf ihr über den Rand seines Glases hinweg einen langen Blick zu.
War da eine Spur von Misstrauen in seinen Augen?
Augenblicklich richtete sie ihre gesamte Konzentration auf den vollmundigen Geschmack des Weines. Sie nahm einen weiteren tiefen Schluck – und noch einen letzten. Das Glas war leer, und das Gesicht ihres Vaters kam ihr unvermittelt in den Sinn: Du trinkst wie ein Bauer , würde er schimpfen und ihr sogleich das leere Glas aus der Hand nehmen, damit sie sich nicht mehr nachschenken konnte.
Als sie das ausgeleerte Glas absetzte, begann Robert, zu trinken.
Diane stellte ihr Glas auf dem Tisch ab und setzte sich auf einen der bequemen Stühle, die hohe gepolsterte Lehnen besaßen. Während sie sich noch einmal aus der Weinflasche eingoss, vernahm sie Roberts Stimme hinter ihrem Rücken:
„Dich kann wohl nichts entmutigen“, meinte er.
Sie drehte sich auf ihrem Stuhl zu ihm um, das frisch gefüllte Glas in der Hand:
„Setz dich zu mir“, bat sie ihn. „Für heute möchte ich bei dir bleiben... Und ich verspreche dir: Wenn ich diesmal gehe, dann komme ich nie wieder. Es sei denn, du holst
mich zu dir zurück.“
Er setzte sich tatsächlich auf den Stuhl neben sie. Sein Glas war halb leer. Das konnte schon genügen. Jedoch hatte Konrad ihr gesagt, es sei sicherer, wenn er alles austränke.
„Ich will nicht mehr diskutieren“, erklärte sie ihm mit einem kleinen Lächeln. „Versprochen.“
Sie bemerkte die etwas fahrige Bewegung, mit der er seinen Wein auf dem Tisch abstellte. Dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück, den Blick zum Fenster gerichtet.
„Als meinem Vater zu Ohren kam, was zwischen uns gelaufen ist“, erzählte sie ihm, „hat er mich sofort zu sich gerufen. Im Streit habe ich das Haus verlassen und beschlossen,
von nun an mein Leben völlig selbst in die Hand zu nehmen. Wenn Bernhard nicht plötzlich verschwunden wäre, wäre ich wirklich nie wieder zu ihm zurückgekehrt. – Und wie auch immer die Sache mit meinem Bruder ausgeht: Ich werde sehr bald für immer meine Sachen packen und das Haus meines Vaters verlassen.
– Unsere Affäre hat einen Bruch bewirkt, der nie wieder zu heilen ist. Doch ich bereue keine Sekunde unseres Zusammenseins - und auch nicht, dass ich für dich bei der Polizei gewesen bin.“
Er atmete tief durch. Es klang ganz so, als sei ihm nicht wohl. Noch immer sah er sie nicht an, sondern starrte weiter zum Fenster.
Diane lehnte sich zu ihm herüber.
„Was ist los mit dir?“ fragte sie ihn mit Unschuldsmiene.
Er drehte seinen Kopf mit schwerfälliger Bewegung zu ihr. Seine dunklen Augen waren ganz trüb und sein Gesicht wirkte sehr angespannt. Seine Stimme klang lethargisch, irgendwie stumpf. „Ich kenne das Mittel“, sagte er nur leise.
Dann schloss er die Augen und lehnte seinen Kopf zurück. „Verdammt...“, murmelte er kaum hörbar.
„Jeder macht mal einen Fehler“, erklärte sie leichthin.
Jedoch wusste sie nicht genau, ob die Wirkung des Mittels tatsächlich stark genug war, weil er nicht das ganze Glas ausgetrunken hatte. Seine Hände lagen regungslos auf seinem Schoß und es sah aus, als ob er schliefe. Diane lehnte sich noch ein weiteres Stück vor. „Ich habe etwas mit dir zu regeln. Verstehst du mich?“
Seine Antwort war schwach, aber sie bestätigte ihr, dass er bei Bewusstsein war. „Jedes Wort“, brachte er sichtlich mühsam heraus.
„Gut“, sagte sie,
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