Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
der Wut
------- JOHANNES ------
Johannes wurde durch lautes, beständiges Klopfen an seiner Tür geweckt.
Er dachte sogleich an Heinz, den vielleicht vor seiner Abfahrt morgen früh noch irgendein Problem beschäftigte. Verschlafen und barfuß tastete er sich durch die dunkle Kammer.
Als er die Tür öffnete und sah, wer dort stand, war er wirklich überrascht. Sein Chef hatte noch kein einziges Mal in all den vielen Jahren Johannes’ Kammer über dem Stall aufgesucht. Und jetzt stand Herr Adlam zu nachtschlafender Zeit dort draußen.
„Was ist passiert?“ fragte Johannes, und seine Müdigkeit war vor Aufregung schlagartig verschwunden.
„Ich brauche deine Hilfe. Dein Neffe ist aus meinem Haus entführt worden“, erwiderte Herr Adlam.
„Was?“ entfuhr es Johannes ungläubig, der sich die Vorgänge nicht erklären konnte. Heinz hatte ihm berichtet, dass Herr Adlam bei ihrem Gespräch unter vier Augen wie nach einem Kampf ausgesehen habe. Und jetzt konnte Johannes sich selbst von der Aussage seines Bruders überzeugen: Auf der Wange seines Chefs war im schwachen Mondlicht eine langgezogene Wunde erkennbar, wie von einem Messer.
„Johannes, die Sache ist sehr ernst. Man wird den Jungen töten, wenn niemand eingreift“, teilte Herr Adlam ihm mit. Der Pferdepfleger erkannte dieses Funkeln in seinen Augen, das ihm schon oft den innerlichen Zorn seines jungen Chefs verraten hatte.
„ Wer wird ihn töten?“ wollte Johannes wissen. „Er ist doch nur ein kleines Kind und hat niemandem etwas getan.“
Seine Frage wurde, wie gewöhnlich, nicht beantwortet. Stattdessen wies ihn Herr Adlam an, sich schnell anzukleiden und ihm zu folgen. Johannes begann folgsam, in dem durch die geöffnete Tür fallenden, fahlen Mondlicht, seine Hose zu suchen. Selbstverständlich war er bereit, dem Jungen zu helfen, was ihm auch immer zugestoßen war. Doch ziemlich sauer beschloss er auch, dass Herr Adlam diesmal nicht so ganz ohne Erklärungen davonkommen würde.
Nachdem er eilig in seine Kleidung geschlüpft war, begab er sich zur Tür. Herr Adlam war schon die Treppe herabgestiegen und stand nun wartend auf dem freien Platz vor dem Stall.
„Wir brauchen auch Heinz“, sagte Herr Adlam schon von weitem zu Johannes. „Obwohl ich befürchte, dass er es nicht schafft, einen kühlen Kopf zu bewahren.“
Sie setzten sich in Richtung der kleinen Hütte in Bewegung, in der Johannes’ Bruder und vier seiner Kinder friedlich schliefen und von einem neuen Anfang in Amerika träumten.
„Ich möchte wissen, was los ist. Es ist unmöglich, irgendwelche Aktionen in Gang zu setzen, ohne dass ich überhaupt weiß, worum es geht“, forderte Johannes, während er neben Robert Adlam herlief. Er war entschlossen, jetzt endlich an mehr Informationen zu gelangen.
„Du wirst es sehen. Und es kann sein, dass du dir dann wünscht, in deinem Bett geblieben zu sein“, antwortete Herr Adlam ernst und sah ihm dabei in die Augen.
Johannes konnte sich nicht erklären, warum dieser durchdringende Blick seine Wirkung niemals zu verlieren schien, obwohl er den Mann von klein auf kannte. Doch Johannes wollte sich diesmal nicht einschüchtern lassen, ausweichende Antworten konnte er heute nicht mehr akzeptieren.
„Wenn die Sache gefährlich wird, dann muss ich mich darauf vorbereiten können. Das geht nicht, wenn ich keine Ahnung habe, womit wir es zu tun haben“, versuchte er, seinem Chef die Dringlichkeit seiner Frage zu erklären.
„Es genügt, wenn ich weiß, wie wir uns vorbereiten. Und wenn du jetzt schon Angst vor der Gefahr hast, dann geh besser gleich wieder nach Hause“, kam die recht unfreundliche Antwort.
Wenn es nicht um seinen kleinen Neffen ginge, wäre Johannes in diesem Moment umgekehrt und zurück nach Hause gegangen. Er fühlte sich durch diese arrogant klingenden Worte beleidigt. Doch derartige Reaktionen von Robert Adlam waren ihm leider nicht unbekannt. Johannes wollte nicht schweigen, denn dazu war er jetzt zu wütend. Ob Chef, oder nicht: Dieser Mann war immerhin zwanzig Jahre jünger als er, und dies war nicht die erste gefährliche Situation in Johannes’ Leben.
„Herr Adlam, haben Sie nicht eben gesagt, Sie brauchen meine Hilfe? Wäre es dann nicht vernünftiger, wenn Sie mir erklären würden, worum es überhaupt genau geht, statt mich nur ständig zu bevormunden?“
Robert Adlam blieb so abrupt stehen, dass Johannes erst einige Schritte weiter stoppen und sich zu ihm umdrehen konnte.
„Es gibt nur zwei
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