Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
unachtsam mit roter Farbe überschüttet worden. Auf der Werkbank selbst, auf dem Fußboden und zum Teil auch an den Wänden zeigten sich ebenfalls deutlich dicke Tropfen roter Farbe. Die gesamte Werkstatt war damit versaut!
Meister Rudolph ließ die Stecheisen auf den Tisch neben dem Schleifstein fallen und hastete zu seinem Christus, um genauer sehen zu können, was mit ihm geschehen war. Die rote Farbe, die an der unfertigen Skulptur klebte, war dunkel und teilweise zu bräunlichen Schlieren angetrocknet, fast so, als handele es sich um geronnenes Blut. Wie in einem Schlachthaus, so sah es hier aus, dachte Meister Rudolph voller Schrecken. Als sei hier, mitten in seiner Werkstatt, ein Schwein abgestochen worden. Nur von dem Tier selbst fehlte jede Spur.
Heftig atmend ließ er sich auf seinem Arbeitshocker fallen, sein Herz klopfte wie rasend. Seine Gedanken überschlugen sich. Es dauerte sehr lange, bis er sich wieder einigermaßen gefasst hatte. Er musste die Polizei rufen, kam ihm in den Sinn. Irgendjemand hatte es auf ihn abgesehen, wollte seine Arbeit zunichtemachen!
------- PFARRER BRECHTS ------
Im grauen Zwielicht hatte das Fell der Pferde einen tiefen, rot-goldenen Farbton, fast wie die Glut in einem Kamin. Es war unmöglich, an ihnen vorbeizugehen, ohne sie anzuschauen und ihre Schönheit zu bewundern. Auch, wenn sie erschreckend riesig waren.
Kein Mensch war hier zu sehen, nur einige Kohlmeisen hüpften aufgeregt auf den Stangen des Gatters umher und verschwanden dann irgendwo im Gebüsch.
Pfarrer Brechts ging weiter, immer am Weidezaun entlang, seine Schritte wurden länger und eiliger. Er konnte es sich nicht leisten, so viel Zeit zu verlieren. Er musste Herrn Adlam, der sich laut Auskunft seiner Haushälterin Magarete irgendwo hier draußen aufhalten sollte, so bald wie möglich auffinden. Man hatte ihm nur eine Stunde gegeben, zu einem ausführlichen Gespräch zwischen ihm als Seelsorger und dem neuen Mitglied seiner Gemeinde. Und das auch nur deshalb, weil er glaubhaft gemacht hatte, dass die nachfolgenden polizeilichen Ermittlungen dadurch vereinfacht werden würden, wenn man auf die Vertrauensbasis zwischen dem Geistlichen und dem Tatverdächtigen zurückgreifen konnte. Gesetzt natürlich den Fall, Robert Adlam war nicht auch plötzlich spurlos verschwunden.
Hinter der nächsten Kurve jedoch zerstreuten sich seine Bedenken, was die Auffindbarkeit von Herrn Adlam betraf, denn dieser kam ihm direkt auf seinem Weg entgegen. Er führte das muskulöse, schwarze Pferd mit sich und grüßte den Pfarrer mit einem Kopfnicken, während er in unverändertem Tempo rasch näher kam.
„Herr Adlam, gut dass ich Sie endlich finde! Ich suche Sie schon so lange!“ rief der Geistliche ihm aufgeregt entgegen. „Ich muss dringend mit Ihnen reden!“
„Was gibt es denn?“ fragte Herr Adlam und der Pfarrer musste eine Einhundertachtzig-Grad-Kehrtwendung machen, um dem jungen Mann auf den Fersen zu folgen.
„Können wir bitte im Haus darüber reden?“ bat der Pfarrer ihn. „Wir brauchen etwas Ruhe und Gottes Beistand für dieses Gespräch.“
Herr Adlam schmunzelte. „Wo könnte Gottes Beistand größer sein, als unter seinem freien Himmel?“ fragte er. Doch der gutgläubige Geistliche überhörte die Ironie in seiner Stimme.
„Ja“, der Pfarrer wandte den Blick zum grauen Himmel. „Seine Allgegenwart ist in der Natur am stärksten spürbar.“ Der Regen wurde heftiger und ein leichter Wind kam auf.
„Also, erzählen Sie mir, warum Sie so aufgeregt sind“, forderte Robert Adlam den Geistlichen auf.
„Es sind viele schlimme Dinge geschehen“, erzählte der Pfarrer. „Dinge, die Gott sehr missfallen. Und mir auch. Es ist ein Mord geschehen. Heute Morgen fand man den Bildhauergesellen aus Rubenfels tot auf. Er ist eindeutig ermordet worden, und die Polizei hat schon einen Tatverdächtigen!“
Pfarrer Brechts hatte bei diesen Worten aufmerksam das Gesicht von Herrn Adlam beobachtet, der jedoch keine Miene verzog und weder überrascht, noch erschreckt auf diese furchtbare Mitteilung reagierte. Das große, schwarze Pferd schnaubte laut und schüttelte seinen mächtigen Kopf. Erschrocken machte Pfarrer Brechts einen Satz nach vorn, um aus der direkten Nähe des Tieres zu entkommen.
Robert Adlam antwortete nicht auf die Wort des Geistlichen, obwohl der Pfarrer ihm durch eine lange Pause genug Zeit dafür ließ. Er ging in gleichbleibenden, schnellen Schritt den Hügel hinauf.
„Wissen Sie, es
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