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Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Titel: Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Gees
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traf ich meine eigenen Vorbereitungen. Es sollte schließlich zu einem furiosen Finale kommen, das jedoch nicht den Vorstellungen meines Meisers entsprach. Die Überraschung würde ganz auf meiner Seite sein. Darum befand ich die Aussichten für positiv, dass ich in jener Nacht der Gewinner sein konnte. Sicher würde ich niemals die Gelegenheit bekommen, all die vernichteten Hoffnungen und Träume der Menschen, denen ich Grausames angetan hatte, wieder gut zu machen. Aber ich konnte zumindest das ganz große Desaster verhindern.
    Ich wusste kaum etwas darüber, was bei dem großen Ritual in wenigen Tagen ablaufen würde, denn wie gesagt: Der etwa vierhundertfünfzig Jahre alte Text, den ich dem Meister für einen Weile entwendet hatte, war für mich nur sehr schwer nachvollziehbar. Jedoch musste vorher eine Art Vorbereitungszeremonie ablaufen, um den Grundstein zu legen für alles, was danach folgen sollte. Und an diesen Punkt wollte ich ansetzen.
    Wie man magische Sprüche manipulieren und ihren Sinn verdrehen konnte, das wusste ich bereits. Jedoch war es keine einfache Arbeit, alles was ich tun und sagen musste genau auf die Manipulation der von meinem Meister geplanten Zeremonie abzustimmen, ohne dass er mich vorzeitig ausschalten würde.
    Im Keller meines Hauses hinter verriegelten Türen traf ich meine heimlichen Vorbereitungen grundsätzlich am helllichten Tag. Denn tagsüber war die Wahrscheinlichkeit, dass der dunkle Meister mich aufspüren würde, sehr gering. Er wohnte nicht in dieser Gegend, sondern hielt sich in der Zeit außerhalb unserer Treffen normalerweise in seinem prächtigen Stadthaus auf. Und Nicolas, der dritte Mann im ‘Zentrum der Macht’, wie unser Meister uns gerne bezeichnete, war ein armer Tropf, was sein Vertrauen in mich und natürlich auch in seinen gottgleichen Führer betraf. Die anderen ‘Brüder’ waren zahnlose Tiger für mich. Niemand von ihnen würde meine Machenschaften aufdecken können. Meine Sinne waren geschärft, und damit meine ich nicht nur die fünf Gottgebenden.
    Die alles entscheidende Nacht war schließlich irgendwann gekommen.
    Ein sternenklarer Himmel prangte über uns, als ich mit Nicolas durch eine Waldlichtung schritt, wo der Schnee bereits von mehreren Paar Stiefeln zertreten war. Nicolas war etwa zehn Jahre älter als ich. Sein äußeres Erscheinungsbild war durchaus sympathisch zu nennen, ein Kaufmannssohn französischer Abstammung. Auch er war mit seinen medialen Fähigkeiten geboren worden, hatte schon als kleines Kind übersinnliche Erfahrungen gemacht. Seine Eltern hatten stets Unverständnis gegenüber seinen aus den Rahmen fallenden Fähigkeiten gezeigt, dies hatte ihn direkt in die Arme unseres Meisters getrieben. Hier fühlte er sich endlich verstanden, musste sein wahres Ich nicht mehr zwanghaft verbergen.
    „Weißt du, was uns erwartet?“ fragte ich ihn in jener Nacht.
    „Wir werden alles bekommen, wonach wir uns sehnen“, erwiderte er mir voller Vertrauen.
    „Und wonach sehnst du dich?“ wollte ich weiter wissen.
    Er sah mich an, ein rundes Bubengesicht, trotz seines Alters noch sehr kindlich.
    „Alle Kräfte wiederzuerlangen, die den Menschen über die Jahrtausende hinweg verlorengegangen sind. Die Natur zu verstehen und sie zu beherrschen, so, wie es uns Menschen vorausbestimmt ist.“
    „Und was willst du anfangen, dann, wenn du ein vollkommener Mensch bist?“ fragte ich ihn.
    Sein Blick schweifte von mir ab, er dachte nach, während sich in seinem Gesicht eine Spur von Verwirrung abzeichnete. „Naja, weißt du...“, begann er. „Ich kann dann alles tun, was ich will. Und was ich will, das weiß ich dann, wenn es so weit ist.“
    Beinah wäre mir ein Lachen entschlüpft, angesichts seiner Naivität. Aber eigentlich war er mehr mitleidserregend, als lächerlich. Und außerdem hatte ich ihm bis vor wenigen Wochen an Gutgläubigkeit kaum nachgestanden.
    Wir erreichten den Ort tief im Wald, wo die Zeremonie stattfinden sollte. Der Priester war bereits da und auch einige seiner Helfer. Unser Führer trug, wie gewohnt, seine schwarze Kapuze, und auch wir kleideten von uns nun schweigend um. In der Luft lag eine derart gespannte Stimmung, dass niemand es wagte, etwas zu sagen.
    Der Meister malte mit seinem eisernen Stab Zeichen in den von Laub befreiten Waldboden, während er konzentriert leise vor sich hin summte. Über einem kleinen Feuer hing ein Kessel mit einem Gemisch von Substanzen, die betäubenden Duft Mehrere der Helfer holten

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