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Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Titel: Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Gees
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unter großer Anstrengung den uralten Opferstein aus seinem Versteck unter der Erde hervor. Der Stein, der als eine Art Altar diente, glich in Form und Größe einem Sarkophag. Sein Inneres war jedoch nicht hohl. Vor tausenden von Jahren eingeritzte, winzige Runen bedeckten seine gesamte, verwitterte Oberfläche. Der Stein war über eine unvorstellbare Zeit hinweg immer und immer wieder einen leicht
    ausströmten. mit menschlichem Blut getränkt worden und deshalb hatte sich seine Oberfläche schmutzig braun verfärbt.
    Als ich vor dem Stein, wie es vorgeschrieben war, meine Knie beugte und die Handflächen dabei auf die raue, kühle Oberfläche legte, spürte ich eiserne Finger, die nach meinem Herzen griffen. Ich würde alles verlieren, was ich in den letzten zwei Jahren gewonnen hatte, so lautete die innere Botschaft an mich. Meine Fähigkeiten würden zurückschrumpfen auf ihre ursprüngliche Unzulänglichkeit, wenn ich die uralten Rituale nicht mehr in Anspruch nehmen würde. Und meine Seele würde trotzdem für immer gefangen bleiben, denn ich hatte sie für alle Zeiten endgültig verkauft. Ein Pakt, der nicht mehr rückgängig zu machen war.
    Einer der Helfer kam mit einem winzigen, in Tüchern gewickelten Wesen auf dem Arm heran und legte das Bündel auf der Altarplatte ab. Ein anderer stellte rundherum um das eingedeckte Wesen Kerzen auf und zündete diese an. Verschiedene Glasfläschchen und zwei silberne Schüsseln, sowie ein abgegriffenes, ledergebundenes Buch aus dem geheimen Schriftenfundus des Meisters wurden ebenfalls auf den Stein gelegt. Der Meister hob nun aufmerksam den Kopf und beobachtete, ob auch alles ganz genau so hingestellt wurde, wie er es wünschte. Als die Helfer fertig waren, kam er heran und nahm vorsichtig, mit beiden Händen, das kleine auf dem Opferstein liegende Wesen hoch, wobei die Tücher auf dem Stein liegenblieben.
    Es war ein nacktes Baby, nur wenige Tage alt. Ein kleiner Junge.
    Der Meister hob es mit ausgestreckten Armen hoch und betrachtete es stumm. Das Kind bewegte träge die Beine. Der Kopf war viel zu schwer, für den kleinen Körper, er fiel kraftlos nach hinten. Die Händchen machten langsame Greifbewegungen ins Leere. Er legte das Kind wieder zurück auf die Tücher, schlug das daneben liegende Buch auf und begann, laut daraus zu lesen. Nicolas nahm dies als Zeichen, dass wir nun beginnen würden, und gesellte sich an die linke Seite des Priesters. Der Priester wandte den Kopf in meine Richtung, während er weiter, ohne die geringste Veränderung in seiner Stimme, seine Sprüche aufsagte. Ich kam zu ihm, an seine rechte Seite.
    Die Helfer um uns herum entzündeten ein wahres Meer von Fackeln. Wir standen bald in einem Kreis aus hellgelbem Licht. Genau, wie ich es vermutet hatte, begannen wir auf eine mir sehr vertraute Weise mit der Zeremonie. Die Worte des Meisters gingen in einen uns bekannten Gesang über, sodass Nicolas und ich an den richtigen Stellen einstimmen konnten. Ich wandte den Kopf ein wenig zur Seite, damit der Meister meine Stimme nicht direkt an seinem Ohr vernehmen konnte und veränderte an den vorausgeplanten Stellen die Worte, in der Hoffnung, dass meine diesbezüglichen Vorbereitungen ihre Wirkung nicht verfehlen würden.
    Das Baby blickte den Priester aus seinen großen, kugelrunden Augen an, während dieser mit seinem Zeigefinger Blutzeichen auf den kleinen Körper malte. Nicolas reichte dem Meister, als dieser fertig war, eine silberne Schüssel und zwei Glasfläschchen. Und während alle um uns herum stehenden Brüder in den rituellen Gesang einstimmten, ging unser Anführer um den Altar herum und ließ sich mit dem Rücken zu uns auf dem Waldboden nieder, inmitten einer von ihm gezeichneten überdimensionalen Rune, die das Wort ‘Tor’ bezeichnete.
    Ich warf einen Blick nach links, wo jetzt nur noch Nicolas stand. Dieser hatte seine Augen gebannt auf den Meister geheftet, der aus dem Nichts eine hohe Stichflamme in der silbernen Schüssel entfachte, die er mit den Händen nach Belieben zu formen schien. Ich streckte meine rechte Hand nach dem Kopf des Babys aus, das mich unschuldsvoll und verwundert ansah. Mit dem Daumen zeichnete ich in einer selbstverständlichen Geste ein Schutzzeichen auf die Stirn des Kindes. Ich würde später keine Rücksicht mehr auf das Baby nehmen können, wenn mein Zeitpunkt gekommen war. Keine einzige Sekunde würde ich für seine Rettung opfern.
    Der Gesang schwoll an, die Luft schien vom rhythmischen Klang

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