Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
dunkelblauen Augen. Sie wirkt zerbrechlich, aber das ist sie nicht. Ihr Dickkopf kann sich vielleicht sogar mit seinem messen.“
„Ich bekomme sie schon unter Kontrolle“, versicherte ihm Konrad mit einem Lächeln.
„Daran möchte ich nicht zweifeln.“
Eine Weile herrschte Stille zwischen ihnen.
Persönlich bekannt war Konrad nur der Familienvater der von Roders aus Lindheim. An die Namen der drei Kinder konnte er sich momentan nicht erinnern, aber eins von ihnen musste Roberts Geliebte Diane sein.
Er wusste bereits, wie er an die junge Dame herankommen konnte. Er würde Richard von Roder ein lohnenswertes Geschäft anbieten und so direkt in das Haus der Familie gelangen.
„Der Junge ist wie vom Erdboden verschwunden“, sagte der Priester plötzlich. „Mit seiner gesamten Familie.“
Konrad konnte seine Verblüffung über diese Worte nicht verbergen.
„Vom Erdboden verschwunden? Bisher haben wir doch noch jeden gefunden, den wir finden wollten. Ganz egal, wo er sich versteckt hielt. Wie kann es sein, dass uns ein kleiner Junge samt Familie abhandenkommt?“
„Ohne fremde Hilfe konnten sie sich nicht vor mir verbergen“, meinte der Priester. „Robert wird wohl, nachdem er den Jungen meinen Leuten abgenommen und die Höhle in ein Flammenmeer verwandelt hat, für seinen weiteren Schutz gesorgt haben.
Woher er allerdings die Kraft dazu genommen hat, nachdem er in der Nacht nicht unerheblich verletzt worden ist, ist fraglich.“
„Du bist also der Meinung, dass er sich nicht nur einmal unserer Werkzeuge bedient hat?“
Der Priester nickte. „Er muss es zweimal getan haben, in ein und derselben Nacht. Deshalb kann ich es gar nicht bedauern, dass das Kind unauffindbar ist. Wir hätten zwar sehr viel mit diesem besonderen Jungen anfangen können, aber es gibt immer noch Dinge, die wichtiger sind, als das.
Denn obwohl Robert mit den alten Werkzeugen gegen uns gearbeitet hat, bringt es ihn doch ein Stück zu uns zurück. Wer mit unseren Mitteln arbeitet, der kann sich sehr bald dem Bann der von ihm gerufenen Geister nicht mehr entziehen. Robert wird es nicht ein zweites Mal gelingen, den Geistern seiner Vergangenheit den Rücken zu kehren. Er ist viel zu sehr eins mit ihnen geworden. Selbst in den Jahren, wo er nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollte, haben sie ihn verfolgt und ihn mürbe gemacht. Und jetzt hat er sich zu weit vor gewagt, um ihnen nochmals entkommen zu können.“
------- DIANE VON RODER------
„Du bist wirklich wahnsinnig geworden“, stellte Anna fest, aber in ihren Augen konnte Diane eine Spur von Neid entdecken. „Vierundzwanzig Stunden lang einfach so zu verschwinden, ohne mir oder Tante Agnes irgendetwas zu sagen...“
„Ich habe euch eine Nachricht hinterlassen“, korrigierte Diane sie, stützte beide Ellbogen auf das Fensterbrett und lehnte sich ein Stück hinaus, um sich die Sonne ins Gesicht scheinen zu lassen.
„Ja, natürlich. ‘ Macht euch keine Sorgen, ich bin morgen wieder zurück’: Das ist wirklich sehr informativ“, beschwerte sich Anna, die auf ihrem Bett saß und ein beleidigtes Gesicht machte. „Wo um alles in der Welt warst du , Diane?“
Diane beobachtete die Leute dort unten auf der Straße: Ein Mann mit abgewetzter, schmutziger Kleidung schob einen mit Säcken beladenen Karren an einem wartenden Pferdefuhrwerk vorbei. Zwei ältere Damen mit Sonnenschirmen unterhielten sich angeregt. Die eine gestikulierte dabei äußerst theatralisch...
„Diane!“ forderte Anna sie auf, endlich zu antworten.
Die Wege der beiden Damen auf der Straße trennten sich für einen Moment voneinander, als sie in einem großen Bogen links und rechts um einen Haufen Pferdeäpfel herumgingen. Der Mann mit der Karre musste an einer kreuzenden Straße stehenbleiben, um einen altmodisch gekleideten Reiter vorbei zu lassen.
„Du wirst es sowieso erfahren“, sagte Diane langsam und wandte sich von dem Straßengeschehen ab, um ihre jüngere Schwester anzusehen. „Also kann ich es dir auch jetzt gleich sagen.“
„Ich höre gespannt zu“, gab Anna zurück.
Das Bett, auf dem Anna saß, war von einer weißen Tagesdecke mit zartem Blümchenmuster bedeckt. Auf einem Schränkchen daneben saß die alte Puppe aus Kindertagen und starrte aus riesigen hellblauen Glasaugen auf den Hinterkopf ihrer Besitzerin. Die Puppe hatte guten Grund, so missmutig vor sich hin zu starren, denn sie war schon seit einiger Zeit ein sehr vernachlässigtes Spielzeug. Anna war groß
Weitere Kostenlose Bücher