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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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stieg aus. »Da bleibst du mal besser draußen, ja? Wir müssen da lang.« Er deutete auf eine steile offene Metalltreppe an der Seite des Hauses, und Andy begriff, was er mit seiner Bemerkung über den Verstärker gemeint hatte.
    »Da rauf?«
    »Erster Stock«, erklärte Tam, nachdem er auf einem Zettel nachgesehen hatte. Andy nahm unterdessen die Strat vom Rücksitz.
    »Du liebe Zeit.« Andy starrte die Treppe an. »Wie haben sie denn das Equipment da raufgeschafft?«
    »Mit mehr Kraft im Kreuz, als wir beide haben, schätze ich.« Tam zwinkerte ihm zu und ging voraus.
    Andy hielt sich mit einer Hand am Geländer fest, während er mit der anderen den Griff des Gitarrenkoffers umklammerte. Als sie im ersten Obergeschoss ankamen und sich bückten, um durch eine dunkle Eingangstür zu treten, kam es Andy vor, als seien sie in einer Hobbithöhle gelandet.
    Caleb Hart erwartete sie in einem winzigen, mit Tontechnik vollgestellten Vorraum.
    Er schüttelte Tam die Hand, nicht aber Andy, was Andy nur recht war. Er rechnete es Hart hoch an, dass er wusste, wie empfindlich Gitarristen in Bezug auf ihre Hände sein konnten.
    »Ich habe uns drei Stunden in Studio 1 reserviert, aber zuerst noch eine Stunde im Proberaum, damit ihr euch ein bisschen beschnuppern könnt.« Hart sah auf seine Uhr. »Poppy hat sich wohl ein bisschen verspätet. Ist so eine Sache mit den Zügen am Samstag.«
    »Von London?«, fragte Andy und runzelte die Stirn. Er kannte den Zug von der Victoria Station wie seine Westentasche. Samstags fuhr er normalerweise regelmäßig und ohne Behinderungen.
    »Nein, von Twyford nach Paddington.«
    »Twyford? Was hat die denn in Twyford verloren?« Andy merkte, wie Tam sich angesichts seines Tonfalls verlegen wand. Aber es war zu spät, um die Bemerkung zurückzunehmen.
    »Poppy wohnt in der Nähe von Twyford«, erklärte Hart. Er sah Tam an, als fragte er sich, ob vielleicht irgendein Missverständnis vorlag. »Ihr Vater ist dort Dorfpfarrer.«
    Andy starrte ihn einen Moment lang nur an, ehe er die Sprache wiederfand. »Sie wohnt noch bei ihren Eltern?« Er wandte sich an Tam. »Sie ist ein Schulmädchen und obendrein noch eine Pfarrerstochter? Was hast du dir …«
    »Ich habe mir gedacht, dass sie zwanzig Jahre alt ist und dass sie singen kann«, entgegnete Tam gereizt. »Mach dich doch nicht lächerlich, Jungchen. Welches Mädel in dem Alter kann es sich denn leisten, in London zu wohnen?«
    »Redet ihr etwa von mir?«, ließ sich eine Stimme vom Eingang vernehmen.
    Sie drehten sich alle um, und Andy erblickte eine zierliche Silhouette im Gegenlicht.
    »Poppy. Schön, dich zu sehen«, sagte Hart lächelnd.
    »Scheiß-Züge.« Sie trat ins Zimmer, und jetzt konnte Andy sie richtig sehen. Sie trug pelzgefütterte Stiefel, eine Strumpfhose mit buntem Blumenmuster und ein kurzes Rüschenröckchen unter einer dicken Daunenjacke. Ihr kurzes Haar, das in wirren Stacheln vom Kopf abstand, hatte die gleiche Farbe wie das Fell von Andys Kater, und an einem Schulterriemen trug sie etwas, das wie ein E-Bass-Kasten aussah. Niemand hatte ihm gesagt, dass sie ein Instrument spielte.
    »Hi, Caleb. Hallo, Tam.« Sie nickte und musterte dann Andy mit prüfendem Blick. »Und du musst dieses Gitarren-Ass sein. Ich bin Poppy.« Sie streckte eine Hand aus, die in einem fingerlosen lila Handschuh steckte, und er schüttelte sie linkisch.
    »Ja, genau, ich bin Andy. Andy Monahan. Du bist ja eiskalt«, fügte er hinzu, als er ihre Fingerspitzen berührte.
    »Es hat mir ja niemand erzählt, dass ich erst den Mount Everest erklimmen muss. Aber ist ein cooler Laden hier.«
    Es war ein steiler Anstieg vom Bahnhof Gipsy Hill hinauf zum Crystal-Palace-Dreieck, doch Andy fiel auf, dass sie kein bisschen außer Atem zu sein schien. Und sie war die metallene Außentreppe so lautlos heraufgekommen wie die Katze, der sie glich.
    Caleb Hart aber war sofort ganz der besorgte Manager. »Dann lass uns doch gleich raufgehen, damit du nicht frierst. Ich habe schon die Heizstrahler im großen Proberaum eingeschaltet.«
    »Halb so wild, Caleb«, sagte sie und zuckte mit den Achseln. »Aber ich bin schon ganz gespannt auf den Raum. Wo geht’s denn lang?«
    »Eine Treppe rauf.«
    Poppy ging nach draußen voran und stieg die Stufen zum nächsten Stockwerk hinauf, als ob sie Federn in den Stiefelabsätzen hätte, während ihr der Gitarrenkoffer gegen die Hüfte schlug.
    »Du hast mir gar nicht erzählt, dass du sie kennst«, flüsterte Andy Tam ins Ohr,

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