Wer Blut vergießt
meine …«
Sie verstummte, als er sich zu ihr herabbeugte. Seine Lippen berührten leicht die eine Wange, dann wandte er den Kopf, um die andere zu küssen, und sie wollte es ihm gleichtun. Es war nur ein lässiges Abschiedsküsschen unter Freunden, doch sie verschätzte sich ein wenig, und ihre Lippen trafen sich.
Beide erstarrten. Dann schlang er den Arm um sie, sie spürte seinen Mund auf ihrem, und Melody musste feststellen, dass es ihr vollkommen egal war, ob sie je nach Hause kam.
10
In einem Teil des Gartens war ein prähistorischer Sumpf mit Dinosauriern angelegt worden. Es waren die ersten Modelle prähistorischer Tiere, die je gebaut wurden – gerade einmal dreißig Jahre nach der Entdeckung der Dinosaurier.
www.bbc.co.uk
Die Jungen kamen jetzt jeden Tag in den Park und kreisten um ihn wie Hyänen, die sich an ihre Beute anschleichen. Anfangs waren sie mit Fahrrädern gefahren, aber jetzt waren sie zu Skateboards aufgestiegen. Allerdings konnte Andy sehen, dass sie beide nicht sonderlich gut waren.
Ihr Interesse an ihm weckte seinen Argwohn, doch er hatte sonst keine Beschäftigung, und er würde sich von ihnen nicht daran hindern lassen, im Park auf seiner Gitarre zu üben.
»Kannst dir wohl keine neuen Turnschuhe leisten, wie?«, sagte der Kräftigere der beiden, als er beim Absteigen von seinem Skateboard ins Taumeln geriet und so tat, als sei es Absicht gewesen.
Andy sah auf seine Schuhe hinunter, die inzwischen eine Nummer zu klein waren, die zerrissenen Schnürsenkel notdürftig zusammengeknotet. Er zuckte mit den Achseln. »Vielleicht gebe ich mein Geld lieber für andere Dinge aus.«
»Und wo hast du die Gitarre her?«
»Geht dich nichts an.«
»Bestimmt hast du die gestohlen«, sagte der kräftigere Junge. Er war eigentlich nicht fett, dachte Andy, es war eher so, dass er eine Art wohlgenährte Arroganz ausstrahlte, während sein Kumpel ein magerer Bursche war, der immer einen Schritt hinterherzuhinken schien.
Jetzt wagte es der Magere einmal, dem Kräftigen zu widersprechen. »Ach komm schon, Shaun. Wo soll der Typ denn eine Gitarre klauen?«
»Halt die Klappe, Joe.« Shaun trat nach dem Schienbein seines Freundes. »Du hast ja keine Ahnung.« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Andy zu. »Wie hast du denn Gitarrespielen gelernt?«
»Ich hab geübt. So macht man das.«
Shaun wirkte wenig beeindruckt, und Andy vermutete, dass er in ein paar Wochen das Skateboard wieder in die Ecke stellen würde. So würde es ihm mit allem gehen, was ein bisschen Mühe machte.
»Spiel mal was Gutes.«
»Nicht für euch.« Andy hatte es satt und legte die Höfner in ihren Kasten. Er stand auf und ging davon, doch er konnte ihre Blicke im Rücken spüren, bis er außer Sichtweite war.
Am nächsten Tag waren sie wieder da.
»Auf welche Schule gehst du eigentlich?«, fragte Shaun. »Wir haben dich bei uns noch nie gesehen.«
Ist auch kein Wunder, dachte Andy. Ihr vornehmer Akzent verriet, dass sie wahrscheinlich beide auf ein feines Internat gingen. »Die katholische Schule.«
»Ui, ich wette, die Priester da stehen auf so hübsche Knaben wie dich.«
Andy machte sich nicht die Mühe, seine Lehrer zu verteidigen, die ihn größtenteils recht anständig behandelt hatten. Es würde ihm nur noch mehr Spott und Hohn einbringen. »Verpisst euch doch einfach, okay?«
Das schien sie nur noch mehr anzustacheln. »Wo wohnst du?«, fragte Joe.
Andy deutete mit dem Kopf in Richtung Westow Hill. Die Straße würde er ihnen nicht verraten.
»Wir wohnen in Dulwich«, sagte Joe, was ihm einen bösen Blick von Shaun einbrachte.
»Schön für euch.«
Shaun runzelte die Stirn, und Andy merkte, dass er es nicht gewohnt war, mit Leuten zu tun zu haben, die sich nicht beeindrucken ließen. Sogar die Mädchen, die in kleinen Grüppchen durch den Park streiften, sahen ihn an und lächelten affektiert, während sie ihr Eis aßen oder mit ihren Freundinnen zusammenhockten und Make-up oder abgefahrene Lippenstiftfarben ausprobierten. Manchmal sahen sie auch Andy an, aber im Gegensatz zu Shaun erwiderte er ihre Blicke nicht. Allein Joe schien für die Mädels überhaupt nicht zu existieren.
»Was ist mit deinen Eltern?«, fragte Shaun. »Was machen die beruflich? Mein Dad macht in Dotcom-Start-ups.«
Andy hatte keinen blassen Schimmer, wovon er redete. »Ich wohne bei meiner Mutter. Sie arbeitet in einem Pub.«
Etwas Berechnendes blitzte in Shauns Augen auf. »Tagsüber?«
»Sie fängt normalerweise mittags an.
Weitere Kostenlose Bücher