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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Descosse
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Minuten umhergeirrt war, fand sie schließlich, was sie suchte. Das Sesam-öffne-dich stand auf dem Giebel einer imposanten, mit spitzen Pfeilen verzierten Kapelle und war begraben unter Gorgonen mit Fledermausgesichtern.
    Familie Cleyel
    In Ewigkeit
    Julia sprang über die Mauer, lief über den Rasen und blieb vor dem Eingang stehen. Sie lauschte. Kein Laut. Vielleicht waltete Bafamal heute Abend nicht seines Amtes …
    Sie versicherte sich, dass niemand kam. Dann hakte sie das Schloss auf, wobei sie möglichst wenig Lärm zu machen versuchte, und schlich sich hinein.
    Ein weiter Raum war im Strahl ihrer Taschenlampe zu erkennen, geschmückt mit Vasen voller Plastikblumen, die direkt auf dem Boden standen. Die Nischen in den Wänden enthielten Figürchen aus bemaltem Gips nach Art der Jungfrau Maria. In der Mitte ein Katafalk, darauf eine Mädchengestalt, um die man eine geraffte Tunika drapiert hatte. Ein Vorname und ein Datum waren in den Stein gehauen: Louise. 1972–1993.
    Julia nahm sich ein paar Sekunden für die Betrachtung ihres Gesichts. Feine, zarte Gesichtszüge, festgehalten in der Reinheit der Jugend. Wer war sie? Welches Schicksal hatte sie erlitten?
    Ein Räuspern ließ sie aufhorchen. Fern, undeutlich, wie aus dem Nichts. Augenblicklich sah sie ein Skelett vor sich, das die Wände eines Sarges zerkratzte. Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Sie musste jetzt vernünftig bleiben. Sich noch einmal klar vor Augen führen, dass es hier um eine ganz einfache Sache ging. Um eine Festnahme, gefolgt von einer Vernehmung. Sonst nichts.
    Sie hatte sich gerade wieder gefangen, als das Kratzen erneut zu hören war. Mit dem Strahl der Lampe suchte sie das Dunkel ab. Plötzlich tauchte, versteckt in einer Vertiefung in der Wand, ein kleines gusseisernes Gitter auf.
    Es war offen.
    Wieder dieses Geräusch. Es kam genau von dort. Julia schloss die Hände fest um ihre Sig Sauer und trat näher.
    Eine Treppe war in die Erde eingelassen. Die Stufen waren alt, abgenutzt, von Moos bedeckt. Sie umklammerte ihre Waffe noch ein bisschen fester.
    Dunkelheit, Modergestank, etwas Unsichtbares, das über die Wände galoppierte. Je tiefer Julia kam, desto stärker hatte sie das Gefühl, eingeschlossen zu sein. Lebendig eingemauert in einer anonymen Gruft. Im schlimmsten Fall würde niemand sie retten.
    Wieder dieses Kratzen. Deutlicher jetzt. Es klang wie das Schaben von Messer auf Stein. Ein Ritualobjekt, das für ein Opfer geschärft wurde?
    Julia hatte bereits etwa zehn Höhenmeter hinter sich gebracht, als sie das Licht bemerkte. Ein leichtes Flackern, das über die feuchte Wand tanzte. Sie ging, die Waffe im Anschlag, weiter.
    Nach und nach wich das Dämmerlicht. Julia schaltete ihre Lampe aus. Noch fünf Stufen bis zum Ziel. Vorläufig konnte sie nur die Decke des Gangs sehen.
    Wieder das Kratzen. Das, was dieses Geräusch verursachte, war ganz nah, gleich dort unten.
    Bafamal?
    Auf Zehenspitzen legte Julia die Strecke zurück, die sie noch von dem geheimen Raum trennte. Als sie entdeckte, was sich darin befand, erstarrte sie.
    Dutzende angezündeter Kerzen umringten einen geschlossenen, kreisförmigen Raum von der Dimension eines kleinen Theaters. Im Innern des Kreises bildeten Holzbänke ein perfektes Halbrund vor einem steinernen Altar. Über dem Altar hing, mit Kabeln an der Decke befestigt, ein riesiges Stahlkreuz in der Luft. Es war auf den Kopf gestellt: das Zeichen des Satanismus.
    Aber das war nicht das Beunruhigendste. Was der Ermittlungsbeamtin das Blut in den Adern gefrieren ließ, war die Gestalt, die dort stand und ihr den Rücken zuwandte. Eine Art Magier in roter Seidentunika, deren Kapuze ihm über die Schultern fiel. Sein Haar, das sehr glatt und nahezu bläulich schwarz war, fiel über seinen Rücken. Rot und Schwarz, dachte Julia. Das Begehren und der Tod …
    Der Mann stand leicht nach vorn geneigt. Das kratzende Geräusch kam von ihm, als dränge es aus seinen Eingeweiden.
    Sie brüllte:
    »Polizei! Keine Bewegung!«
    Die gespenstische Gestalt erstarrte. Ganz langsam richtete sie sich auf und hob dabei die Arme. So blieb sie einige Sekunden stehen, reglos wie ein Phönix kurz vor dem Abflug.
    Schließlich wandte die Gestalt, die auf einem Teppich aus Helium zu schweben schien, sich zu dem Eindringling um.
    53
    Der Engel des Bösen.
    Lockend wie die Sünde, gefährlicher als die Verdammnis.
    Sein Gesicht war von einer düsteren Anmut, geprägt von einer abgrundtiefen Perversität. Es war schmal

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