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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Descosse
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mitzumachen. Und jedes Mal hatte sie wieder rausgehen müssen.
    Ein Kahlkopf mit glasigen Augen hängte sich an ihren Arm. Er versuchte, diesen Wahnsinn mit seinem Gebrüll zu übertönen:
    »Magst du mir einen blasen, du kleine Sau?«
    Die junge Frau riss sich mit einem Schulterruck von ihm los.
    »Fick dich selbst, du Arsch.«
    Der Kerl brüllte vor Lachen und tanzte weiter. Julia entfernte sich, so schnell sie nur konnte. Der Saal, in dem die Stimmung auf dem Höhepunkt angelangt war, wirkte auf sie wie ein lebendiges Wesen, das sie zermalmen und verschlingen wollte.
    Endlich erreichte sie die Bar. Zuschauer drängten sich, die Bierdose in der Hand und mit leuchtendem Blick, um den Tresen. Die meisten waren jung, trugen logofreie T-Shirts, waren mit Piercings übersät. Die Stimmung war echt destroy , und man fühlte sich an die vielen Punks Anfang der Achtzigerjahre erinnert. Bisher nicht die Spur eines Satanisten …
    Ein Mann im weißen Hemd, der den Zirkus von seiner Registrierkasse aus beobachtete, fiel aus diesem Bild heraus. Adlerprofil, kahl geschorener Schädel, ein auf den Hals tätowierter Indianerkopf.
    Die Polizistin bahnte sich einen Weg zwischen den feuchtwarmen Körpern hindurch. Sie stieß einen Typen in Lederjacke von sich und trat vor ihn.
    »Antoine Théopoulos?«
    Der Mann musterte sie misstrauisch.
    »Worum geht’s?«
    »Polizei.«
    Als sie ihren Beruf nannte, drehten Julias Nachbarn sich um. Besorgte Blicke, Unwohlsein. Ein Graben tat sich auf.
    »Ich bin auf der Suche nach einer Person«, gab die junge Frau bekannt.
    »Wenn ich Ihnen behilflich sein kann …«
    Mittelmeerakzent. Für einen Zuhälter klang er freundlich. Ein seltsamer Cocktail, der in diesem Zoo etwas befremdlich wirkte. Julia holte das Foto von Pierre Jacquet heraus.
    »Haben Sie ihn schon mal gesehen?«
    Der Grieche betrachtete das Foto. Sein Gesicht wurde immer länger.
    »Aber das ist doch nicht …«
    »Doch, das ist der Jugendliche, den man in der Verbrennungsanlage gefunden hat.«
    »Na, wenn Sie schon wissen, wo er ist, dann …«
    »Wo er ist, weiß ich. Ich suche nach Leuten, die ihn vielleicht hierhergebracht haben.«
    »Warum? Hier bei mir soll er gewesen sein?«
    »Möglich …«
    Théopoulos setzte eine zerknirschte Miene auf.
    »Ich erinnere mich nicht an ihn.«
    »Nehmen Sie sich Zeit. Denken Sie nach.«
    Er fuhr sich mit der Hand über den Schädel, um seinem Gedächtnis nachzuhelfen. An seinem Willen, mit ihr zu kooperieren, blieb wahrlich kein Zweifel.
    »Nein, ehrlich. Tut mir leid …«
    Ende der Durchsage. Von der Theke aus konnte der Besitzer sein Etablissement nur teilweise überschauen. Ein paar Glotzäugige, ein Dickicht aus Schattengestalten, dann die Gruppe, die unter den Laserstrahlen herumturnte.
    Julia versuchte es anders.
    »Man hat mir erzählt, Ihre Kunden wären ein bisschen –sagen wir mal – speziell.«
    »Ach ja?«
    Zur Veranschaulichung dieser Behauptung versuchte der Typ mit einem rot gefärbten Irokesenschnitt sich neben die junge Frau zu zwängen. Sie spannte ihre Muskeln an, um ihm den Durchgang zu versperren. Der Neo-Punk grummelte einen Fluch und ging.
    »Die meinte ich nicht«, fuhr Julia fort. »Ich spreche von solchen, die sich schwarze Klamotten anziehen, sich das Gesicht weiß färben und sich für Vampire halten.«
    Dass er von denen die Nase gestrichen voll hatte, war ihm deutlich anzusehen.
    »Ab und zu kommen ein paar Gothics hierher. Meist verdrücken sie sich nach hinten in den kleinen Saal. Eine Cola, sechs Strohhalme. Falls Sie verstehen, was ich meine.«
    Julia lächelte breit.
    »Sind Sie heute Abend da?«
    »Keine Ahnung. Hier ist es so voll. Sie können sich ja selbst mal umschauen. Gleich hier rechts.«
    Sie ließ sich nicht zweimal bitten und stürzte sich wieder ins Getümmel. Drei ganze Meter musste sie sich durch die Menge quetschen. Eine Ewigkeit. Vor sich bemerkte sie eine Öffnung, einen direkt in den Stein gehauenen Rundbogen.
    Sie zwängte sich hindurch. Dahinter herrschte eine völlig andere Stimmung. Es war relativ ruhig. Es gab ein paar Tische, an denen Vierer- oder Fünfergrüppchen saßen. Hinten standen zwei Computer mit der Startseite von Google auf dem Bildschirm. Auch hier kam das Licht von Kerzen, die man in die Nischen gestellt hatte. Sie warfen zerhackte Schatten, so als würde etwas in den Wandlöchern herumkriechen.
    Weitere Gespenster gesellten sich hinzu. Bleiche Gesichter, schwarzer Lippenstift, rabenschwarzes Haar und

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