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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Descosse
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Überleben. Wenn man die Herde aufrütteln möchte, dann muss man diese Flamme anheizen. Je lebendiger sie ist, desto besser.«
    Völliger Wahnsinn. Metzeleien an Jugendlichen passten gut in dieses Gedankengut. Barbarische, schockierende Morde, mit denen man das Gewissen der Leute auf jeden Fall aufrütteln konnte. Aber obwohl er wahnsinnig war, hatte Théron nicht das Zeug zum Killer. Er fantasierte laut vor sich hin, hatte sich wie eine Auster in seine Zweizimmerwohnung verkrochen.
    Der Kommissar lenkte das Gespräch allmählich auf seine Ermittlungsarbeit.
    »Kommen wir doch noch einmal auf Ihre Seminare zu sprechen. Wie lief das so ab?«
    »Im Grunde hat es nur ein Seminar gegeben. Interessierte Internetuser konnten sich online einschreiben.«
    »Können Sie mir Namen nennen?«
    »Ich kannte auch nur die Spitznamen.«
    »Wenn Sie sie mir trotzdem nennen könnten?«.
    »Da brauchen Sie bloß die Polizisten zu fragen. Ich habe Ihnen schon gesagt, dass sie alles protokolliert haben.«
    Hier kam er nicht weiter. François versuchte es auf einem anderen Weg.
    »Sind die Teilnehmer hierhergekommen?«
    »Ich hatte nicht genug Platz. Ein Freund von mir hat mir in seinem Restaurant einen Raum zur Verfügung gestellt. Ich kann Ihnen die Adresse geben.«
    »Später. Wissen Sie noch, wann genau das war?«
    Er tat so, als denke er nach.
    »Meine Website wurde im April gesperrt. Das war kurz davor. Also Februar oder März.«
    Zwei ungenaue Antworten. Er wich der Frage aus.
    »Wurden bestimmte Themen behandelt?«
    »Mehr oder weniger.«
    »Was denn, zum Beispiel?«
    Er ordnete seine fettige Strähne, eine unwillkürliche Geste, die er wohl hundertmal am Tag wiederholte.
    »Wir haben wahrscheinlich über Banden gesprochen, über Hooligans … Mal ehrlich, ich erinnere mich nicht mehr.«
    »Über Serienmörder?«
    »Wahrscheinlich schon.«
    »Auch über die in den Filmen?«
    »Wie meinen Sie das?«
    Man spürte deutlich sein Unbehagen. Der Anarchist verheimlichte etwas. François wurde deutlicher:
    »Über Clockwork Orange . Das ist doch ein Filmtitel, oder?«
    »Ich verstehe den Zusammenhang nicht.«
    Théron hielt ihn für einen Idioten. François versuchte, ruhig zu bleiben wie ein Zen-Meister.
    »Das ist nicht schlimm. Ich rede von den Horrorgestalten im Kino. Freddy Krueger, Michael Myers, Jason … oder dem abartigen Typen, dessen Name mir gerade entfallen ist, der die Touris mit Macheten massakriert hat. Wissen Sie, wen ich meine, oder muss ich deutlicher werden?«
    Théron war blass geworden.
    Jetzt gab es keinen Zweifel mehr. Er wusste Bescheid.
    Der Profiler ging im Geiste die Ereignisse noch einmal durch. Die Viererbande war in seinem »Seminar« erschienen. Sie hatten gemeinsam über diese ganz besondere Form von Gewalt gesprochen, bei der junge Menschen mit grausam blutigen Bildern überschüttet wurden. Als er erfuhr, dass Morde begangen wurden und auf welche Weise gemordet wurde, dürfte dieser Pseudoanarchist gewiss eins und eins zusammengezählt haben.
    Der Mann hatte sich zusammengekauert.
    Er wirkte wie ein gehetztes Tier, und sein Schweigen sagte mehr als tausend Worte. François fuhr mit sanfter Stimme fort:
    »Hören Sie mir genau zu, Monsieur Théron. Und ich rate Ihnen, gut nachzudenken, bevor Sie dem Drang nachgeben, mir zu widersprechen. Ich ermittle in einer Mordserie, die in den letzten Tagen stattgefunden hat. Ich bin mir sicher, dass Sie Bescheid wissen, denn es wurde überall darüber berichtet. Bisher hat noch keiner eine Verbindung zwischen diesen Verbrechen hergestellt. Außer mir. Und Ihnen. Aus dem schlichten und einfachen Grund, weil Sie die Person kennen, die sie begangen hat, ebenso die anderen, die ihr dabei geholfen haben. Diese Leute sind über Ihre Vermittlung zusammengekommen. Sie haben sich Ihre irrwitzigen Gedanken angehört und sind dann zur Tat geschritten. Das macht Sie zum Komplizen.«
    François machte eine Pause. Théron war nur noch ein Häufchen Angst.
    »Sie haben jetzt eine sehr einfache Wahl zu treffen«, fuhr der Polizist fort. »Entweder Sie helfen mir, und dann werden wir auch besser einschätzen können, inwieweit Sie verantwortlich sind. Oder Sie schlagen mein Angebot aus und übernehmen die Verantwortung für die anderen.«
    Théron hatte zu schwitzen begonnen. Eine ölige Schicht brachte seine Haut zum Glänzen.
    »Ich kann nichts dafür. Ich habe mit ihnen gesprochen, das ist alles.«
    Jämmerlich. Nachdem er die anderen zur Barbarei aufgestachelt hatte, machte sich

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