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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Descosse
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Zumal diese junge Frau sich sehr gut auch die Haare gefärbt haben konnte.
    Er schnappte sich sein Handy. Er wollte ihre Stimme hören. Sie bitten, ihn zu beruhigen. Schnell.
    Die Mailbox meldete sich. Und damit stieg die Panik in ihm auf. Warum hatte sie ihr Handy abgestellt? Was machte sie bloß, zum Teufel noch mal!
    Er bat sie, ihn zurückzurufen, und legte auf. Nachdenken. Alle Möglichkeiten durchspielen. Es war Samstagnachmittag. Sie konnte ins Kino gegangen sein. Wenn sie nicht gerade auf Shoppingtour war. Manche Läden in den Untergeschossen hatten keinen Netzempfang. Zum Beispiel die im Forum des Halles.
    Wieder bekam er Angst. Ihm waren gerade ein paar Fakten aus ihrer Ermittlung eingefallen. Das WeBabar. Das Internetcafé, von dem aus Natascha Justine angerufen hatte. Es lag nur einen Katzensprung vom Forum entfernt. Nicht weit von dem Ort, den Charlotte so sehr mochte und wo sie oft hinging …
    Vollgas zurück! Wenn der Zufall ins Spiel kam, wurde alles möglich. Vor allem das Schlimmste.
    Dann fiel ihm seine Mutter ein. Charlottes Großmutter. Er musste sie anrufen, ganz schnell. Im Laufe der Jahre hatte sich, auch weil François so oft abwesend war, eine sehr enge Beziehung zwischen den beiden entwickelt. Gestern Abend hatte das junge Mädchen bei ihr übernachtet. Vielleicht wusste sie ja etwas …
    Er rief sie auf dem Handy an. Keine Antwort. Er versuchte es übers Festnetz. Nachdem er es zehnmal hatte klingeln lassen, fiel ihm ein, dass Samstag ja immer ihr Bridgetag war. Seine Mutter hatte Gäste. Die Partien zogen sich oft bis in die Abendstunden, da konnte die Welt untergehen. Sein Vater nutzte die Gelegenheit immer, um ein bisschen spazieren zu gehen.
    François drehte den Zündschlüssel um und brauste mit quietschenden Reifen davon.
    18, Avenue de la Bourdonnais.
    Die diskrete Pracht einer Natursteinfassade. In der Eingangshalle roch es nach Citronella. Beim Anblick des bläulichen Mosaikfußbodens bestürmten ihn die Erinnerungen gleich einem Heer von Gespenstern.
    François rannte die Treppe hinauf. Wenn er zu seinen Eltern kam, wurden die alten Gewohnheiten aus der Kindheit stets übermächtig. Damals war er mit den Aufzug um die Wette gelaufen und, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinaufgestürmt, um noch vor seiner Mutter oben zu sein.
    Als er im vierten Stock ankam, war er kaum außer Atem. Seine Ängste trieben ihn an, zeigten ihm ein weiteres Mal, dass der Körper sich dem Geist fügte und nicht umgekehrt.
    Er musste mehrmals klingeln, bis jemand aufmachte. Gabrielle Marchand schien ihn zu erwarten, sie sah tadellos aus in ihrem karamellfarbenen Kostüm und den dazu passenden Mokassins, das Ganze wahrscheinlich aus dem Hause Chanel.
    »Weißt du, wo Charlotte ist?«
    »Komm rein.«
    Ihr Ton war ernst. Ihr Gesicht verschlossen. François betrat die Diele.
    »Geh ins Büro deines Vaters. Ich komme gleich.«
    Er blickte ihr nach. Ihr Gang war noch weich und geschmeidig für eine Frau, die schon auf die siebzig zuging. Wenn man sie von hinten sah, mit ihrer schlanken Figur und ihren blonden Haaren, wirkte sie viel jünger.
    Er ging den Gang entlang. Die Dielen knarrten immer noch an denselben Stellen. Die Zahl der Bücher auf den Regalen schien wieder gewachsen zu sein. Hauptsächlich Krimis und Thriller. Sein Vater las nichts anderes. Bahnhofsliteratur, wie seine Frau fand. Der Chirurg im Ruhestand bekam hier den Adrenalinstoß, der früher seinen Alltag bestimmt hatte.
    Der Raum, in den der alte Herr sich zurückzog, war mit Holztäfelungen ausgekleidet. François sah seinen Vater wieder vor sich, wie er hinter dem riesigen Schreibtisch im Stil Napoleon III . saß und von Hand die Publikationen verfasste, die ihm dann sein Viertelstündchen Ruhm bescheren sollten. Er blieb stehen. Eine Art Aberglauben hinderte ihn daran, sich auf das Stilmöbel zu setzen. Der Gedanke, dass das noch nicht sein Platz war …
    Seine Mutter kam auf ihn zugeeilt.
    »Ich habe nur ein paar Minuten Zeit. Die heutige Partie ist ganz entscheidend für das Turnier zwischen den verschiedenen Départements.«
    Immer diese Distanz. Eine Fassade, die sie sich irgendwann zugelegt hatte, um sich vor der Außenwelt zu schützen, die aber mit der Zeit zur zweiten Natur geworden war.
    François erklärte ihr, warum er gekommen war.
    »Ich muss mit Charlotte sprechen. Weißt du, wo sie ist?«
    »Nicht mehr seit gestern Abend.«
    »Sollte sie nicht bei dir übernachten?«
    »Sie hatte es sich anders

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