Wer Boeses saet
überlegt.«
»Wo …«
Sie streichelte ihm über die Wange.
»Beruhige dich. Sie brauchte nur ein bisschen Abstand.«
François mochte das nicht. Er hatte das Gefühl, dass sich das Netz immer fester zuzog und ihn zu ersticken drohte.
»Setz dich«, befahl sie. »Ich habe dir zwei oder drei Dinge zu sagen.«
Sie setzten sich auf ein kleines Sofa aus grünem Samt, dessen Mahagonilehnen mit Fransen verziert waren. Sie schlug einen Ton an, in dem man normalerweise kleine Kinder ausschimpft.
»Deiner Tochter geht es schlecht. Weißt du das eigentlich?«
François litt zu sehr darunter, um es nicht zu bemerken. Er nickte lediglich, so heftig stürmten die Emotionen auf ihn ein.
»Sie wird es dir nicht sagen«, erklärte Gabrielle. »Sie ist wie du. Eine stolze Trutzburg. Aber jetzt muss ich dich warnen. Das ist meine Pflicht als Mutter und Großmutter.«
Sie hielt inne, als fehle ihr die nötige Kraft.
»Seit Dianes Tod hast du dich völlig in deinen Kokon eingesponnen. Ich mache dir keine Vorwürfe. Ich weiß, was du durchgemacht hast und was du immer noch durchmachst. Nur ist da noch Charlotte. Ich habe getan, was ich konnte. Aber eigentlich braucht sie dich.«
»Ich weiß …«
»Wissen ist eine Sache, handeln eine andere. Das brauche ich dir nicht zu sagen. Hast du eine Vorstellung davon, wie es ihr in der Schule geht? Weißt du, wie ihr Freund mit Vornamen heißt? Oder was für ein Parfüm sie trägt?«
Er sah ein Bild, wie eingefroren. Das WeBabar. Mumra, der Videospielfan, dem Nataschas Duft aufgefallen war.
»Wie heißt denn ihr Parfüm?«
»Diesel. Jetzt weißt du es, falls du ihr mal ein Geschenk machen willst.«
Seine Gedanken bäumten sich auf, wollten sich dem Ganzen auf keinen Fall stellen. Das konnte auf Tausende von Frauen zutreffen.
Gabrielle fuhr fort:
»Du musst dich jetzt um deine Tochter kümmern. Musst nach ihr schauen. Sonst baut sie am Ende noch irgendeinen Mist.«
Sie hatte das mit einem großen Ernst gesagt, dass François ein Schauder über den Rücken lief. Er wollte antworten, doch seine Mutter schnitt ihm das Wort ab.
»Hör mir zu. Und vor allem versuche mich zu verstehen. Als Charlotte aus der Klinik kam, hast du gedacht, die Dinge kämen wieder in Ordnung. Das haben wir übrigens alle gedacht. Es ging ihr wieder besser. Sie hatte ihr Leben wieder in die Hand genommen, und du hast ein anderes Leben angefangen. Dein Vater und ich haben deine Wahl nie für gut befunden. Daraus habe ich ja nie einen Hehl gemacht. Aber du bist mein Sohn. Und da habe ich mir gesagt: Ich muss dich dabei unterstützen.«
Es dämmerte. Gabrielle schaltete eine kleine Lampe ein, die neben ihr stand.
»Für mich gab es nur eine Art, dir zu helfen. Indem ich mich um Charlotte kümmerte. Und das habe ich getan. Ich bereue es nicht, das schwöre ich dir. Deine Tochter ist schön, intelligent, sensibel. Sie hat alles, wovon Eltern nur träumen können. Heute kann ich es dir ja gestehen: Zwischen uns ist mit der Zeit eine Verschworenheit gewachsen, wie ich sie nicht einmal mit meinen Freundinnen erlebt habe. Wahrscheinlich hat mich das dazu bewogen, sie in Schutz zu nehmen.«
Wieder wusste François nicht, wovon sie sprach.
»In Schutz nehmen vor was?«
»Vor dir. Vor deinen Ängsten. Vor deinen Schuldgefühlen. Ich habe immer geahnt, dass du falsch reagieren würdest, wenn du erfahren würdest …«
Sie stockte. François musste schlucken, er hatte einen trockenen Mund.
»Was hätte ich wissen sollen?«
Die alte Dame sah auf ihre Hände. Faltig, durchscheinend, von schwarzen Venen durchzogen.
»Vor zwei Jahren hatte Charlotte einen Rückfall. Eine brutale, besorgniserregende Depression, schlimm genug jedenfalls, um sie einweisen zu lassen.«
Die Decke senkte sich auf François nieder.
»Und das hast du mir nicht erzählt?«
»Das war, als du in die Vereinigten Staaten gegangen bist, um dein Praktikum beim FBI zu machen. Deine Tochter lebte bei uns. Du warst weit weg und hast nicht oft angerufen. Ich musste mich schnell entscheiden.«
»Du hättest mich trotzdem benachrichtigen können. Dann wäre ich zurückgekommen.«
»Ich hatte das Gefühl, dass es so für alle die bessere Lösung war.«
»Du hattest das Gefühl! Aber, zum Kuckuck, ich bin ihr Vater!«
Gabrielle lenkte nicht ein, sie war sich ihrer Sache sicher.
»Ich habe getan, was ich für gut hielt. Wie hättest du die Nachricht aufgenommen? Kannst du mir das sagen? Was wäre gewesen, wenn du zusammengebrochen wärest?«
Sie
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