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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Descosse
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schrecklichen Scheiterhaufen.
    »Monsieur Théron?«
    Der Mann nickte misstrauisch.
    »Worum geht es denn?«
    Seine Stimme klang schrill. Eine Kinderstimme.
    »Um Ihre Internetseite ›clockworkorange.com‹«.
    Sein Misstrauen wuchs.
    »Die ist schon lange außer Betrieb.«
    »Ich weiß. Ich würde gerne mit Ihnen über die Treffen der Internetuser sprechen, die Sie letztes Jahr organisiert haben.«
    »Daran war nichts Illegales.«
    »Das habe ich auch nicht behauptet. Ich will lediglich…«
    »Haben Sie einen Durchsuchungsbeschluss?«
    Jetzt war Klartext angesagt. François wollte schon antworten, als ein Quietschen ihn veranlasste, sich umzudrehen. Die Tür gegenüber hatte sich ein Stück weit geöffnet. Durch den Spalt sah man eine gefurchte Stirn und ein weißes Haargestrüpp.
    Théron schaute beunruhigt zu dem neugierigen Nachbarn hinüber. François nutzte die Gelegenheit.
    »Ich habe nicht den ganzen Papierkram bei mir. Aber ich kann in einer Stunde wieder zurück sein. Und dann wird das nicht mehr so diskret abgehen.«
    Die Augen hinter den dicken Lupengläsern weiteten sich vor Schreck und ließen den Nachbarn nicht aus dem Blick, der jetzt auf den Flur getreten war.
    »Also?«, fragte der Polizist.
    Widerstrebend kapitulierte Théron.
    »Kommen Sie rein.«
    François trat über die Schwelle. Die Wohnung war von bescheidener Größe, eine typische Junggesellenbude. Ein Platz für jedes Ding, und jedes Ding an seinem Platz. Im Fernsehen lief eine Tiersendung, in der Hyänen sich um ein Stück Aas stritten.
    Der Kommissar setzte sich auf ein Kunstledersofa. Eine Anrichte, ein Tisch und Stühle zierten das Wohnzimmer. Rustikale, schwere Möbel, mit Bienenwachs poliert. Ein Detail passte nicht recht in diese Spießereinrichtung. An der Wand hing, mit Heftzwecken festgepinnt, ein riesiges Poster, auf dem ein großes A in einem Kreis abgebildet war, das Ganze auf schwarzem Grund. Das universelle Symbol des Anarchismus.
    Théron setzte sich in einen ausklappbaren Sessel, der vor einem flachen Bildschirm stand. Er drückte auf eine Fernbedienung. Die Rückenlehne richtete sich auf, die Basis senkte sich ab.
    »Eines kann ich Ihnen gleich sagen. Ich habe nichts mehr. Die Polizei hat meine ganzen Archive mitgenommen.«
    »Darauf kommt es nicht an«, log François. »Ihre Erinnerung reicht uns vollkommen.«
    Sein Gesicht verzog sich zu einem herausfordenden Grinsen. Der Mann verachtete die Polizei, und es gelang ihm nur schlecht, das zu verbergen. Er würde ihm nur das Nötigste verraten. Der Kommissar würde ihn mit Samthandschuhen anfassen müssen, wenn er etwas Konkretes erfahren wollte.
    »Erzählen Sie mir von diesen Treffen. Was war Ihr Ziel?«
    Er presste die Lippen zusammen.
    »Es handelte sich nicht um Treffen. Ich habe Seminare organisiert, bei denen nachgedacht wurde.«
    Ein Ideologe. Mit Hang zum Anarchismus. Man würde ihm ein bisschen den Bauch pinseln müssen.
    »Seminare, natürlich … in denen Sie sich mit dem Thema extreme Gewalt befassten, falls ich das recht verstanden habe.«
    »Ja. Als Mittel des sozialen Kampfes. Das habe ich schon Ihren Kollegen zu erklären versucht. Aber bei denen ist ja Hopfen und Malz verloren.«
    Hier tauchte eine unerwartete Verbindung auf. Hatten die Morde eine politische Symbolik? Waren sie eine blutige Vision des Anarchismus? Die bewaffnete Gruppe »Action directe« hatte damals in den Achtzigerjahren diesen Weg eingeschlagen.
    François wollte Klarheit bekommen.
    »Manchmal muss der Kampf für die Freiheit mit Waffengewalt geführt werden. Bis hierhin folge ich Ihnen noch. Aber weshalb extreme Gewalt?«
    Thérons Gesicht veränderte sich. Es wurde spitz wie ein Eispickel.
    »Weil das die beste Antwort überhaupt ist. Die Gesellschaft ist verdorben, verfault bis ins Mark. Und das fällt niemandem mehr auf. Schauen Sie sich doch mal all diese Idioten an! Man bietet ihnen schwachsinnige Programme an, und sie wollen noch mehr davon. Sie sind gerade gut genug, die Scheiße zu konsumieren, die man ihnen auf dem Tablett serviert. Sollte man sie eines Tages um ihre Papiere bitten, wenn sie kacken gehen wollen, dann werden sie das normal finden.«
    Der Mann versuchte, sich zu beherrschen, aber jede seiner Antworten ließ seinen Hass deutlicher spüren. François sah zu, wie er sich ereiferte.
    »Das Einzige, was sie ein klein wenig reagieren lässt, ist Gewalt. Sie appelliert an den Instinkt und wirft uns auf unsere animalische Herkunft zurück. Töten oder getötet werden.

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